Joaquin Phoenix ist Joe, ein bulliger Kriegsveteran mit graumeliertem Vollbart und langen Haaren unter einer Baseballkappe. Der wortkarge Mann kümmert sich in Queens um seine alte Mutter, manchmal ist er auch tage- und nächtelang weg. Joe ist eine Art Söldner. Er bringt entführte Teenager zurück zu Eltern, die die Polizei nicht einschalten wollen. Findet Joe die Jugendlichen in Kinderbordellen oder in Edelpuffs für pädophile Politiker, geht er brutal vor. Mit einem Hammer zertrümmert er dann nicht nur Türen, sondern auch die Köpfe von Aufpassern und Zuhältern. Als ihn ein ehrgeiziger Abgeordneter bittet, seine Tochter Nina zu retten, gerät Joe in eine Intrige.
Ein aufwühlender Thriller
Nur 85 Minuten lang ist Lynne Ramseys nachtschwarzer, aufwühlender Thriller, und keine Minute zu lang oder zu kurz. Die Schottin bewegt sich auch in den Gedanken, Erinnerungen eines traumatisierten Mannes, der in einer Spirale aus Gewalt gefangen ist, die schon in seiner Kindheit begann. Unvergesslich bleibt, mit welch' emotionaler Wucht Joaquin Phoenix diesen stoischen Kämpfer spielt – in Cannes erhielt er letztes Jahr minutenlange Standing Oovations.
Kreative Eigenständigkeit
Die einstige Fotografin Lynne Ramsay ist eine der talentiertesten Regisseurinnen unserer Zeit. Auch mit „A Beautiful Day“ überrascht und begeistert diese starke Regisseurin, die es in der Filmindustrie nicht leicht hat. Sie besteht auf ihrer kreativen Eigenständigkeit und gibt dafür sogar Filmprojekte auf. Auch mit „A Beautiful Day“ schafft sie wieder ein filmisches Erlebnis. Ein Strudel aus fragmentarischen, halluzinatorischen Bildern reißt den Zuschauer mit: graues Morgenlicht in New York, Kriegsszenen im Iran, ein enges Treppenhaus, ein nackter Mann zieht eine Plastiktüte über seinen Kopf, blutige Kleiderfetzen, Verfolgungsjagden, eine Pistole in Kinderhand, Zweikämpfe, Gestern, Heute, Halluzinationen. Lynne Ramsay hält das alles in einem mitreißenden Fluss. Aufregend ist das Sounddesign, auch hier überlagern sich mehrere Ebenen. Ein sensibler wie brachialer Film – wobei sich die exzessive Gewalt fast immer außerhalb des Bildausschnitts abspielt. Die Schottin zeigt einen männlich dominierten, urbanen Dschungel. Dieser ist nicht hoffnungslos – immer wieder gibt es Momente der Gemeinschaft, des Ausblicks in eine andere Welt.