Von wegen ein Nashorn! Ludwig soll mal niemanden an der Nase herumführen. Meint der Vater, der den kleinen Mann am Abend ins Bett bringt. Und trotzdem ist das Nashorn da: unterm Bett, im Schrank oder – besonders schön – auf dem Lampenschirm, in der Höhe, schwebend. Die Münchner Schriftstellerin, Filmemacherin und Journalistin Noemi Schneider hat zusammen mit dem Illustratoren-Duo "Golden Cosmos" ein ungewöhnliches Bilderbuch geschrieben und gestaltet, ausgehend von einem Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein: Es lasse sich nicht beweisen, dass kein Nashorn im Raum ist.
"Es hat damit zu tun, dass etwas da sein kann, auch wenn man es gar nicht sieht", erzählt Noemi Schneider im BR-Interview. "Und das wir manchmal so fokussiert sind auf das, was wir sehen und etwas ungewöhnliches gar nicht mit einbeziehen. Und ich liebe diesen Satz. Weil natürlich lässt sich nicht beweisen, dass kein Nashorn im Raum ist."
Kinder in einer Ausnahmezeit
Noemi Schneider stellt die philosophische Geschichte "Ludwig und das Nashorn", erschienen im Nord-Süd-Verlag, auf der Münchner Bücherschau Junior vor. Eine Woche lang sind Kinder-und Jugendbuchautorinnen in der Landeshauptstadt zu Gast. Der thematische Bogen ist einmal mehr groß, reicht vom Bilderbuch über den Krimi zum Sachbuch, etwa über das Forschungsschiff Polarstern. Im NS-Dokumentationszentrum stellt Frank Schwieger ein Buch über Kinder im Nationalsozialismus vor. Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klasse.
Eine Frage habe ihn immer beschäftigt, so Frank Schwieger im BR-Interview: "Wo waren Kinder betroffen von der großen Politik? Sie waren es in vielerlei Hinsicht. Und dann wollte ich möglichst viel abdecken, möglichst viel an Themenbereichen. Auch den Bombenkrieg, die Konzentrationslager, das Getto – das Warschauer Getto als Beispiel, da gab es viele mehr. Ebenso Hitler-Jugend und die Schule. Themen, die aus Kindersicht wichtig sind."
Geschichten von Mut und Courage
Frank Schwieger, Lehrer für Geschichte und Latein in Schleswig-Holstein, wurde bekannt mit Büchern zur Geschichte der Antike und des Mittelalters. Für den Band "Kinder unterm Hakenkreuz", erschienen bei dtv und illustriert von Friederike Ablang, hat er Porträts geschrieben, immer bezugnehmend auf historische Ereignisse: vom Boykott jüdischer Geschäfte im Frühjahr 1933 über die Rettung der Juden in Dänemark bis zur Befreiung aus den Konzentrationslagern. Immer wieder geht es auch um Courage und um Gesten der Hilfe für Menschen in Not. Die elfjährige Erna zum Beispiel ignoriert die SA-Männer vor dem Schuhgeschäft und besucht die jüdische Inhaberin.
"Kinder", so Frank Schwieger, "können natürlich nicht die Weltgeschichte verändern, Konzentrationslager öffnen und die Leute befreien. Aber sie können ganz kleine Sachen machen. Die vielleicht sogar Menschenleben retten, im besten Fall. Ein bisschen Mut machen und zeigen: So geht es auch. Das können auch Kinder. Vielleicht gerade Kinder. Weil sie unschuldiger sind als Erwachsene."
Von wegen: Kein Nashorn im Raum! Seite aus dem Bilderbuch "Ludwig und das Nashorn" von Noemi Schneider und dem Illustratoren-Duo "Golden Cosmos"
Die Phantasie beflügeln
Zur Bücherschau Junior gehören ebenso Illustrationsausstellungen, Vorlese-Runden in verschiedenen Sprachen und Exkursionen. Ebenso gibt es im Münchner Stadtmuseum eine Buch- und Medienausstellung mit 5.000 Titeln– viel Gelegenheit zum Selbererkunden. Darum geht es ja auch bei der Kinderbuchmesse. Die Phantasie beflügeln. Warum, könnte man mit der Schriftstellerin Noemi Schneider und ihrem Bilderbuch fragen, sollte kein Nashorn in einem Kinderzimmer Platz finden?
Für Ludwig, so die Schriftstellerin, sei klar: "Das Nashorn ist da. So, wie für viele Kinder auch ihre Kuscheltiere. Und vielleicht wohnt unterm Bett irgendein Mitbewohner, von dem die Eltern noch nie etwas mitbekommen haben. Weil da eben diese Kraft zur Imagination da noch eine ganz andere Kraft hat."
Vergnügliche Nashörner, besondere Bilderbücher, dramatische Zeitgeschichte und viele anderen Geschichten und Abenteuer. Die Bücherschau Junior läuft bis zum 19. März im Münchner Stadtmuseum. Das gesamte Programm ist zu finden auf der Internet-Seite der Bücherschau.
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