Der Schauspieler im Smoking
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James Norton

    Nach Nacktfoto: Londoner Bühnen wollen Handys wegschließen

    Der Schauspieler James Norton ist derzeit unbekleidet in einer Inszenierung im Londoner West End zu sehen. Zuschauer fotografierten ihn und stellten die Bilder ins Netz. Jetzt überlegen die Theater, Handys des Publikums zwangsweise wegzusperren.

    Es war Wochen vorher angekündigt und sollte wohl werbewirksam sein: Schauspieler James Norton (37), der als neuer James Bond gehandelt wird, informierte die Londoner Presse vor zwei Wochen darüber, dass er "komplett nackt" auftreten würde. In einem Stück nach dem 2015 erschienenen Roman "Ein wenig Leben" der US-Schriftstellerin Hanya Yanagihara spielt er die Rolle des Anwalts Jude St. Francis, der als Kind sexuell missbraucht wurde und mit dem Trauma fertig muss. Die Nacktszene empfinde die Figur als zutiefst "demütigend", so Norton: Er liege dabei auf dem Boden und werde misshandelt. Gleichwohl sei die Szene wichtig für das Stück, weil gezeigt werden solle, welch schamvolle Momente der Mann durchmachen muss. Norton räumte ein, dass es ihm schwer gefallen sei, sich derart "vorführen" zu lassen, er sei bisher nur ein einziges Mal kurzzeitig nackt zu sehen gewesen.

    "Vorfall könnte schockieren"

    Jetzt stellte sich heraus: Mindestens ein Zuschauer hatte nichts Besseres zu tun, als die Szene per Handy festzuhalten und das Foto ins Netz zu stellen. Nach empörten Reaktionen auf Twitter wurden die Bilder allerdings flugs wieder gelöscht. Gleichwohl überlegen die Londoner Theater nun, das Publikum zu zwingen, seine Smartphones vor Beginn der Vorstellung wegzuschließen. "Ich wäre sehr überrascht, wenn dieser jüngste Vorfall nicht als Auslöser dafür dienen würde, dass das Publikum bei Shows mit berühmten Stars oder mit Musiknummern, die die Leute filmen möchten, ihre Telefone in Schließfächer stecken muss", so Alistair Smith vom Fachblatt "Stage" gegenüber dem britischen "Guardian".

    Expertin Kirsty Sedgman wurde mit ähnlichen Worten zitiert: "Es könnte gut sein, dass das der Vorfall ist, der Theater und Schauspieler so schockiert, dass alle Produzenten den Zuschauern ihre Telefone vollständig verweigern, indem sie sie zwingen, Schließfächer und Taschen zu benutzen." Es gebe jedoch Ausnahmen, so ließen sich Hörbehinderte die Handlung mit Untertiteln erläutern. Pauschale Regelungen seien daher nicht einfach umzusetzen. Im Übrigen gebe es Shows, die ausdrücklich darum bäten, dass die Anwesenden die letzten zwei, drei Minuten der Vorstellung aufnähmen, aus Werbegründen. In diesen Fällen ist es also ausdrücklich erwünscht, dass das Material im Netz verbreitet wird.

    Auf Twitter war zu lesen, dass die Anwälte der "Daily Mail", wo die Fotos online zu sehen waren, "sehr beschäftigt" seien. Das Verhalten des Zuschauers wurde als "unmoralisch, illegal und widerlich" gebrandmarkt. Ein Zuschauer twitterte: "Am Broadway beim schwulen Baseball-Stück 'Take Me Out' mussten wir unsere Handys in Magnetbeuteln versiegeln lassen, aber das hinderte keinen daran, [Hauptdarsteller] Jesse Williams illegal zu filmen." Ein weiterer Kommentator meinte: "Da fehlt es an menschlichem Anstand. Großen Respekt an die Schauspieler, dass sie den Mut hatten, die Show weiter zu spielen, nachdem das passiert ist." Es gab auch Tweets, wonach das Wegsperren von Handys wohl die "einzige Möglichkeit" sei, das Unwesen in den Griff zu bekommen. Einen "Perversen" gebe es wohl in jeder Vorstellung, meinte einer der Diskutanten.

    Der Grat zwischen PR und Empörung ist allerdings stets schmal: Auf dem Buch-Cover von "Ein wenig Leben" ist das vor Lust verzerrte Gesicht eines Mannes beim Orgasmus zu sehen.

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