Bis zuletzt war seine Haltung zum Angriff auf die Ukraine fraglich. Igor Zelensky (52), Chef des Bayerischen Staatsballetts, sprach sich nach Informationen des BR zwar intern vor seinem Ensemble gegen den Krieg aus, doch öffentlich wollte er sich offenbar nicht äußern. Das Kunstministerium und die Staatsoper beharrten allerdings auf einer Stellungnahme, speziell zu seinem Verhältnis zur Putin-Regierung. Ob und wie die ausfiel, dazu wurde nichts bekannt. Fest steht: Mit sofortiger Wirkung tritt Igor Zelensky als Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts zurück. Angeblich sind "private, familiäre Angelegenheiten" hierfür der Grund.
Die Nachfolge soll "nach intensiver Suche durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst" in den kommenden Wochen geregelt werden. In der Übergangszeit sollen die Ballettmeister Judith Turos und Thomas Mayr gemeinsam die Kontinuität sicherstellen.
"Familie und Beruf nicht mehr vereinbar"
In einer schriftlichen Erklärung heißt es von Zelensky: "Eine Ballettkompagnie zu führen, erfordert absolute Konzentration und Kapazität. Aktuell verlangen jedoch private Familienangelegenheiten meine volle Aufmerksamkeit und Zeit, die mit der Leitung einer Ballettkompanie nicht vereinbar sind." Seine Familie brauche nun seine "ganze Unterstützung".
Opernchef Serge Dorny schrieb: "Ich habe großen Respekt vor dieser nicht einfachen Entscheidung und wünsche Igor Zelensky und seiner Familie alles Gute. Herr Zelensky hat es in den vergangenen Jahren geschafft, den internationalen Ruf des Bayerischen Staatsballetts weiter zu festigen. Dies ermöglicht es uns, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Ich möchte Igor Zelensky aufrichtig für seine Arbeit für das Bayerische Staatsballett danken."
Beratertätigkeit für Putin
Kunstminister Markus Blume zollte "der persönlichen Entscheidung Respekt" und ergänzte: "Das Bayerische Staatsballett hat unter der Leitung von Igor Zelensky große künstlerische Erfolge gefeiert. Im Gedächtnis werden vor allem die vielen Auftritte weltberühmter Ballettstars bleiben, die Herr Zelensky nach München geholt hat. Ich wünsche ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute."
Der Vorgang lässt ahnen, dass sich Zelensky aus welchen Gründen auch immer von Putins Politik nicht so distanzieren wollte, wie es die Verantwortlichen erwarteten. Womöglich spielte dabei die Rücksichtnahme auf Verwandte in Russland eine Rolle. In den letzten Wochen hatte sich herausgestellt, dass der Ballettdirektor dort Nebentätigkeiten als Regierungs-Berater inne hatte, deren Umfang überraschte.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte Zelensky wissen lassen, er wolle sich nicht "zu politischen Angelegenheiten" äußern. Die Zeitung hatte recherchiert, der Choreograph sitze als Berater in der Stiftung "National Cultural Heritage" mit Sitz in Moskau, einer gemeinsamen Gründung von Bolschoi- und Mariinski-Theater sowie dem Eremitage-Museum und der Tretjakow-Galerie. Zweck der Organisation, die nach einem Dekret von Putin gegründet worden sei: Kulturzentren zu schaffen, auch auf der Krim.
Wegen konservativem Stil von Anfang an umstritten
Der aus dem südrussischen Labinsk am Kaukasus stammende Igor Zelensky hatte im September 2016 die Leitung des Bayerischen Staatsballetts übernommen und gleich zu Beginn eine Reihe herausragender Tänzerinnen und Tänzer nach München verpflichtet. Er war von Anfang sehr umstritten, weil er im Ruf stand, ein konservatives Repertoire in der Tradition der russischen Klassik zu pflegen. Mit der zeitgenössischen Moderne tat er sich schwer, was nicht verwundert, war er als Tänzer doch am St. Petersburger Mariinski-Theater verpflichtet gewesen, wo ein konventioneller Stil auf allerdings höchstem Niveau gepflegt wird. Später leitete er das Ballett in Nowosibirsk und am Moskauer Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater.
Beim Münchner Publikum, darunter viele russischstämmige Fans, kam Zelenskys Programm gleichwohl bestens an, zumal er mehrfach einige Stars aus seinem Heimatland als Gäste an die Isar holte.
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