ARCHIV - 11.05.2023, Berlin: Claudia Roth (Bündnis 90/ Die Grünen), Kulturstaatsministerin, spricht im Deutschen Bundestag in der Debatte um 175 Jahre Nationalversammlung in der Paulskirche. Nach Buh-Rufen gegen Kulturstaatsministerin Claudia Roth beim jüdischen Musikwettbewerb «Jewrovision» haben zahlreiche jüdische Prominente in einem offenen Brief der Grünen-Politikerin den Rücken gestärkt. (zu dpa: Jüdische Promis nehmen Roth in Schutz: «Nicht in unserem Namen») Foto: Wolfgang Kumm/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Zahlreiche jüdische Intellektuelle stärken ihr den Rücken: Kulturstaatsministerin Claudia Roth

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Nach Buhrufen: Jüdische Prominente verteidigen Claudia Roth

Beim Musikwettbewerb "Jewrovision" erntete Claudia Roth Buhrufe, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden sprach von ernst zu nehmendem Protest. Zahlreiche jüdische Intellektuelle haben sich jetzt hinter die Ministerin gestellt.

Rund eine Woche nach den Buhrufen gegen Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) beim Musikwettbewerb "Jewrovision" haben zahlreiche jüdische Prominente die Politikerin in Schutz genommen. "Protest ist das eine, die niedergebrüllte Rede eines geladenen Gastes etwas anderes", heißt es. Aktivisten hätten die Politikerin "orchestriert" ausgebuht. Roths politische Biografie künde "unmissverständlich vom lebenslangen Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus".

Roth habe Arbeit von Gedenkstätten abgesichert

Weiter heißt es: "Ohne mit allem, was sie tut, einverstanden zu sein: Ihr ist es unter anderem zu verdanken, dass die künftige Arbeit von Gedenkstätten und Institutionen, die sich mit der Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen befassen, abgesichert ist." Man widerspreche Darstellungen, Roth nehme Sorgen über Antisemitismus im Kulturbetrieb nicht ernst. Der Offene Brief ist überschrieben mit "Nicht in unserem Namen".

Am Wochenende hatten Buhrufe Einzelner gegen Roth bei dem jüdischen Musikwettbewerb für Schlagzeilen gesorgt. Medienberichten zufolge wurde auch auf die Kontroverse um die documenta in Kassel verwiesen. Die Weltkunstausstellung stand wegen antisemitischer Darstellungen in der Kritik. "Ich nehme diese Kritik an, weil wir eine starke und eine bunte und eine mutige Demokratie sind", mit diesen Worten hatte Roth spontan reagiert.

Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Offenen Briefes gehören zum Beispiel Daniel Barenboim, Micha Brumlik, Igor Levit, Meron Mendel, Eva Menasse, Jerzy Montag, Michael Naumann, Susan Neiman, Julius Schoeps, Ofer Waldman und Moshe Zimmermann.

Eingriffe in Kunst müssten unterbleiben

"Bei allen berechtigten Sorgen um steigenden Antisemitismus, der auch in den digitalen Medien angeheizt wird, kann die Staatsministerin für Kultur und Medien in einer offenen Gesellschaft nicht für umstrittene Inhalte verantwortlich gemacht werden", schreiben sie. Roth habe die schwierige Aufgabe, "in diesem Spannungsfeld die demokratischen Normen und die Freiheit der Kunst im Auge zu behalten, weil Kunst zwar politisch ist, aber politische Eingriffe in die Kunst unterbleiben müssen".

Kulturschaffende benötigten eine politische Umgebung, in der sie ungehindert arbeiten könnten, so die Unterzeichnenden. "Viele Juden gestalten in Deutschland den Kulturbetrieb mit - es muss liberaler Konsens bleiben, dass Religionsgemeinschaften keinen Einfluss darauf nehmen." Der Brief betont, dass das Judentum von Vielstimmigkeit, Pluralismus und Debatte lebe.

Unterzeichner stellen sich gegen Zentralrat der Juden

Mehr als die Hälfte der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden gehöre keiner jüdischen Gemeinde an. Sie verstünden sich als säkular oder lehnten eine "partikularistische Politik" des Zentralrats der Juden in Deutschland ab, heißt es. "Aber wir alle müssen auf einer zivilisierten, respektvollen Debatte bestehen und können sie nicht nur von den anderen verlangen."

Zentralratspräsident Josef Schuster hatte in der jüngsten Ausgabe der "Jüdischen Allgemeinen" die Vorfälle während des Musikwettbewerbs als Eklat und bedauerlich bezeichnet. "Warum es dazu kam, liegt aber eindeutig an den Entwicklungen im deutschen Kulturbetrieb, und da hat der Staat als größter Kulturförderer eine bedeutende Verantwortung." Es müsse jetzt "endlich" etwas passieren. Die Bundesregierung habe kein Antisemitismusproblem. Aber gerade die Kulturförderung müsse "endlich über klare Vorgaben keinerlei Platz für Antisemitismus lassen".

Geschrieben mit Material der dpa

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