Außenaufnahme des Metropoltheaters bei Nacht
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Das Münchner Metropoltheater im Stadtteil Freimann

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Antisemitismus-Vorwurf: Metropoltheater zeigt "Vögel" nicht mehr

Das Stück "Die Vögel" geriet wegen antisemitischer Passagen heftig in die Kritik. Das Münchner Metropoltheater wollte mit einer Sondervorführung und einer Gesprächsrunde die Wogen glätten. Nun verzichtete es darauf und sagte alle Aufführungen ab.

Über dieses Thema berichtete kulturWelt am .

Das Metropoltheater in München hat nach Antisemitismus-Vorwürfen zum Theaterstück "Die Vögel" eine geplante Sondervorführung mit anschließender Gesprächsrunde abgesagt. "Das Stück in der erarbeiteten Form werden und wollen wir vorerst so nicht mehr aufführen", teilte Jochen Schölch, der Leiter des Theaters, am Freitagabend mit. Die geplante Veranstaltung am kommenden Sonntag sei damit hinfällig geworden.

Das Stück des libanesisch-kanadischen Autors Wajdi Mouawad wird seit 2017 mit großem Erfolg auf internationalen und deutschen Bühnen gezeigt, es dreht sich um Identitätskonflikte einer jüdischen Familie, deren jüngstes Mitglied sich in eine Araberin verliebt.

Kritik vom bayerischen Antisemitismusbeauftragten

Zunächst hatten die Jüdische Studierendenunion Deutschland und der Verband jüdischer Studenten in Bayern mitgeteilt, dass sie die Aufführung als antisemitisch betrachten. Es mache "Holocaust-Relativierung sowie israelbezogenen Antisemitismus salonfähig", schrieben sie am Freitag vergangener Woche in einem offenen Brief. Unterstützung bekamen sie dabei von Bayerns Antisemitismus-Beauftragtem Ludwig Spaenle. Er hält die Vorwürfe für gravierend hielt und sagte: "Ein renommiertes Theater muss bei einer solchen Inszenierung die nötige Sensibilität walten lassen."

Was ist am Vorwurf dran?

Auch nach Ansicht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) enthält das Stück antisemitische Aussagen. So sage etwa eine jüdische Hauptfigur in "Die Vögel": "Wenn Traumata Spuren in den Genen hinterließen, die wir unseren Kindern vererben, glaubst du, unser Volk ließe dann heute ein anderes die Unterdrückung erleiden, die es selbst erlitten hat?" Hier werde die Situation von Palästinenserinnen und Palästinensern mit der Verfolgung der Juden und damit der Schoah gleichgesetzt, die Ermordung der europäischen Juden relativiert, so RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpacı. Gleichzeitig werde die Existenz transgenerationaler Traumata durch die Schoah infrage gestellt.

Gespräche führten zur Einsicht

Seit dem ersten laut gewordenen Vorwurf hätte es nun viele Gespräche vor allem mit jüdischen Mitbürgern und Vertretern der jüdischen Gemeinde gegeben, heißt es an diesem Freitag in der Mitteilung des Metropoltheaters. Das habe nun dazu geführt, dass "wir verstehen konnten, warum die kritisierten Textstellen bei manchen Menschen so starke negative Reaktionen hervorrufen können", so Theater-Chef Schölch. "Wir bedauern diese entstandenen Verletzungen und die empfundene Herabsetzung, die uns sehr leid tun."

Weil man das Stück in der erarbeiteten Form nicht mehr aufführen wolle, mache die Aktion um Sondervorstellung und Gesprächsrunde keinen Sinn mehr, so der Theaterchef. Die geplanten weiteren Vorstellungen sagte er ab, stattdessen sollen die Geschehnisse erst aufgearbeitet werden: In Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat wolle man moderierte Gespräche führen und so zu einer "konstruktiven" Aufarbeitung beitragen.

Anfang eines Dialogs?

Das Münchner Kulturreferat unterstütze dieses Vorgehen, heißt es in einer Pressemitteilung; "Um sich sowohl der Komplexität des Themas, als auch der Betroffenheit, die es auf allen Seiten auslöst, zu stellen, unterstützen wir das Metropoltheater bei der Initiierung und Umsetzung eines breit angelegten, ehrlichen Dialogs auf Augenhöhe", sagte Anton Biebl, Kulturreferent. "In dem Bewusstsein, welche Herausforderung ein derartiger Dialog mit sich bringt", erhoffe man sich eine breite Beteiligung.

Auch die Direktorin des NS-Dokumentationszentrums Dr. Mirjam Zadoff und Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museum München, stärkten dem Theater in einer Mitteilung den Rücken: Die Komplexität der "innerjüdischen Erinnerung an den Holocaust" sei einem deutschen Theaterpublikum durchaus zuzutrauen, heißt es darin. Die Kritik der jüdischen Studierendenverbände sei aber legitim, man hoffe daher auf einen Austausch: " Wir hoffen, dass es zu diesem Austausch noch kommen wird, denn er ist wichtig. Wenn Kultureinrichtungen diese Themen zukünftig meiden, wäre das für eine lebendige Erinnerungskultur aber auch für die demokratischen Kräfte auf beiden Seiten des Nahostkonfliktes ein falsches Signal", so das Schreiben.

Mit Informationen der dpa

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