Auf dem Schlossplatz in Erlangen: Saghar Kia startet dort gemeinsam mit anderen Iranerinnen und Iranern eine Solidaritätsaktion für Frauen im Iran. Das iranische Regime greift bei Protesten seit Monaten hart durch. Polizisten schießen gezielt auf die Augen und auf Geschlechtsorgane der Demonstrantinnen und Demonstranten.
Aber auch die Protestierenden, die hier in Deutschland leben, müssen Repressalien für sich oder ihre Angehörigen befürchten. "Die Angst ist immer da. Aber unser Mut und unsere Hoffnung ist größer als die Angst", sagt Saghar Kia.
Kampf für die Freiheit und für die Frauen im Iran
Saghar Kia will für die Freiheit im Iran kämpfen. 2017 hat sie ihre Heimat verlassen. Wenn sie Bilder von den Demonstrationen sieht, kommen bei ihr alte Gefühle wieder hoch. Vor allem der Tod der jungen Iranerin Mahsa Amini wühlt sie noch immer auf. Im September vergangenen Jahres stirbt die 22-Jährige, ein Foto, dass sie mit Beatmungsschlauch und geschlossenen Augen auf einer Intensivstation zeigt, verbreitet sich rasant in den Medien.
Die berüchtigte Sittenpolizei hatte damals die Studentin wegen eines vermeintlich falsch sitzenden Kopftuchs mitgenommen. Als sie stirbt, entladen sich Wut und Trauer in einer ersten Demonstration. Saghar Kia erinnert sich noch gut an ihre eigene Angst vor der Sittenpolizei.
Flucht aus dem Iran: Der Beginn eines neuen Lebens
Als ihr Vater stirbt, ist sie vier Jahre alt. Nach iranischem Recht geht das Sorgerecht für das Kind auf die Familie des Vaters über. Saghar Kia kommt zu ihrem Onkel. Ihre damals erst 22 Jahre alte Mutter heiratet noch einmal und gründet eine neue Familie. Saghar Kia und ihre Geschwister haben zunächst keinen Kontakt zu ihr. Mit 16 wird sie zwangsverheiratet, an einen Nachbarssohn. "Ich habe damals zu meinem Onkel gesagt: 'Ich mag ihn nicht und ich liebe ihn nicht. Er sagte: 'Kein Problem. Die Liebe kommt erst nach der Heirat.'" Und niemand hat darauf geachtet, dass ich das selber nicht möchte und dass ich weine. Ich hatte Todesangst, wenn ich 'Nein' sage."
Saghar Kia sagt "Ja" und heiratet den Nachbarssohn.
Sie beginnt ein Studium der Agrarwirtschaft. Mit 20 bekommt sie Tochter Raeika und will nur weg aus dem Iran. Sie spürt, dass sie dieses Leben nicht will. "Ich durfte keine eigenen Gedanken haben. Ich durfte nichts entscheiden. Ich durfte nicht die Kleidung tragen, die ich wollte", erzählt sie. Während ihres Studiums kam die Zeit des Internets und damit auch ihr Blick in die Welt. Sie sieht: Es gibt auch andere Leben.
Ausbildung zur Diakonin
Ihr gelingt mit ihrer Tochter Raeika die Flucht nach Deutschland. Doch in der neu gewonnen Freiheit geht es ihr erst einmal schlecht. Im Ankerzentrum Bamberg lernt sie iranische Christinnen kennen., eine nimmt sie mit in einen Gottesdienst. "Ich habe Jesus am Kreuz gesehen, und das hat mich tief berührt. Ich hatte ja selbst Schmerzen, und habe diese Schmerzen auch an ihm gesehen. Aber ich kannte Jesus zu der Zeit nicht. Ich hatte nur beim Anblick des Kreuzes das Gefühl, er versteht mich. Und ich habe angefangen, zu beten und ihn um Hilfe zu bitten."
Saghar Kia lässt sich taufen, macht in Rummelsberg eine Ausbildung zur Diakonin. Sie freut sich, ihr Leben jetzt endlich selbst in die Hand nehmen zu können. Diese Freiheit wünscht sie sich auch für die Menschen im Iran. Für deren Kampf um Demokratie will sie Aufmerksamkeit schaffen. Gemeinsam mit anderen Exiliranerinnen wie der Softwareentwicklerin Nina Afschari kämpft sie: "Das Regime hat seit Jahrzehnten die gleiche Strategie: unterdrücken, hinrichten, verhaften. Aber jetzt, mit dieser Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit, kann es nicht mehr im Verborgenen bleiben. Jetzt haben die Menschen im Iran eine größere Chance, der Gewalt und Brutalität dieses Regimes zu entgehen."
Saghar Kia will, dass die Welt nicht wegschaut.
Sie wird weiter tun, was sie kann. Kämpfen für die Rechte von Mädchen und Frauen im Iran.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Mehr zum Thema "Solidarität mit Frauen im Iran und weltweit" in der Sendung STATIONEN am Weltfrauentag am Mittwoch, 8. März 2023, im BR Fernsehen und in der ARD Mediathek.