Mal sehen, ob es Ex-Tänzer Igor Zelensky tatsächlich auf die Krim zieht, wo eigens für ihn in Sewastopol ein neues Theater gebaut werden soll, wie ein Rechercheteam des Online-Portals "Meduza" ermittelt hat. Dort war zu lesen, der Choreograph und mutmaßliche Putin-Schwiegersohn habe eigenartige "postsowjetische" Führungsmethoden angewandt, die sich jetzt möglicherweise für ihn auszahlen.
Wenn die sorgfältigen Nachforschungen nicht völlig abwegig sind, traf sich Zelensky, der mit der ehemaligen Tänzerin Jana Serebryakowa verheiratet ist oder war, schon vor 2017 regelmäßig mit der jüngeren Tochter von Putin, Katerina Wladimirowna Tichonowa, die gern insgeheim ins Moskauer Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater gekommen sei, wo Zelensky von 2011 bis 2016 tätig war.
Die tanzbegeisterte Tichonowa wurde in Dresden geboren, studierte Japanologie und soll als "Verwaltungswissenschaftlerin" in Moskau tätig sein. Nebenbei managt sie milliardenschwere Stiftungen. Obwohl sie demnach viel beschäftigt ist, flog sie nach den Recherchen des kremlkritischen Online-Portals "Istories" in den letzten beiden Jahren über fünfzig Mal nach München.
Angeblicher Grund dafür: Sie soll mit dem Ex-Ballettdirektor des Bayerischen Staatsballetts, Igor Zelensky (52), liiert, nach manchen Informationen sogar verheiratet sein. Das lässt die zurückliegenden Schlagzeilen um den umstrittenen Choreographen in einem völlig anderen Licht erscheinen, denn bisher hieß es von ihm wolkig, er habe München Anfang April aus "privaten" Gründen verlassen.
"Eine Balletttruppe zu leiten erfordert absolute Konzentration und Effizienz. Derzeit erfordern jedoch persönliche, familiäre Angelegenheiten meine volle Aufmerksamkeit und Zeit, was mit meiner Tätigkeit als Ballettdirektor in München nicht vereinbar ist", so Zelensky damals in einer schriftlichen Stellungnahme.
Bayerisches Staatsballett wusste angeblich nichts
"Für uns ist diese Information komplett neu, er hat sich zu seinem Privatleben sowieso nie geäußert", hieß es aus dem Bayerischen Staatsballett gegenüber dem BR zu den neuen Schlagzeilen. "Er hat seinen Beruf und sein Privatleben völlig getrennt."
Der jetzige Intendant der Bayerischen Staatsoper, Serge Dorny, hatte bei einer verkappten Satire-Aktion des russischen Fernsehens zur Trennung von Zelensky gesagt: "Wir haben mehrmals mit ihm gesprochen, und ich habe ihn zu dem Schluss gebracht, dass er die Oper verlassen sollte. Er hat eine solche Entscheidung nicht allein getroffen." Im April hatte Dorny "Zelensky und seiner Familie alles Gute" gewünscht, offenbar in Unkenntnis darüber, welche prominenten Mitglieder diese Familie hat.
"Istories" behauptet aufgrund vorliegender Reiseunterlagen und anderer Dokumente, Tichonowa sei lange Zeit zwischen Moskau und München gependelt, am 9. Dezember 2019 zum Beispiel mit der gemeinsamen Tochter, "Kindermädchen, Klavierlehrer und drei Geheimdienstmitarbeitern". Der Hang von Tichonowa zum Luxus ist bekannt. Die Investigativ-Journalisten schreiben: "Wir wissen nicht, wann und wie sich Tichonowa und Zelensky kennengelernt haben." Den Quellenangaben zufolge habe sich Putins Tochter 2017 von ihrem ersten Ehemann getrennt, seit diesem Zeitpunkt sei sie regelmäßig in die bayerische Landeshauptstadt geflogen.
Zelensky kümmert sich für Putin um Großprojekte
Politisch brisant ist die Angelegenheit nicht nur wegen der offenkundig unmittelbaren familiären Nähe Zelenskys zu Putin, sondern auch, weil der Choreograph und frühere Star-Tänzer seit 2018 im Aufsichtsrat einer Stiftung sitzt, die sich auf Putins persönliche Anweisung mit Öleinnahmen finanziert und in Russland eine Reihe von kulturellen Großprojekten errichten soll. Keines der angedachten Häuser ist bis jetzt allerdings fertiggestellt, weder in Kaliningrad, noch in Wladiwostok und Kemerowo. In Sewastopol will Putin mit Hilfe von Zelensky angeblich die "Balletttradition" begründen.
Den Neubau auf der Krim soll das österreichische Architektenbüro Coop Himmelblau errichten, samt einem Trakt für die angeschlossene Akademie und einem Museum. Wegen der Pandemie sollen "Hunderte von Mitarbeitern" der dahinterstehenden Stiftung jedoch entlassen worden sein.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuerst über die dubiosen Verpflichtungen Zelenskys in Russland berichtet. Dort hatte der Choreograph behauptet, seine "Abwesenheiten" aus München mit dem damaligen Opernchef Nikolaus Bachler besprochen zu haben. Ein Video von Zelensky mit Putin war plötzlich im Netz nicht mehr verfügbar.
"Dolce Vita" in München
Ein Sprecher von Bachler verwies gegenüber dem BR darauf, dass dieser nicht etwa der Dienstherr von Zelensky gewesen sei, da beide unabhängig voneinander vom Bayerischen Kunstministerium eingestellt worden seien, ein hierarchisches Verhältnis liege also nicht vor. Von einer familiären Verbindung Zelenskys zu Putin sei nichts bekannt gewesen, wie überhaupt das Privatleben des Ballettdirektors keine Rolle gespielt habe. Die beiden hätten sich lediglich bezüglich ihrer Anwesenheiten abgestimmt, was ein völlig normaler Vorgang sei. Bachler leitet jetzt die Salzburger Osterfestspiele.
Mit beißender Ironie schreibt "Istories", Putin habe ja Mitte März alle Landsleute, die es sich im Ausland mit "Austern und Gänseleber" gemütlich machen, als "Landesverräter" beschimpft. Gemessen daran sei Zelensky mit seinem "Dolce Vita" in München angreifbar gewesen. Der Vertrag des von Anfang an wegen seiner traditionellen Ausrichtung umstrittenen Tanzchefs lief eigentlich bis 2025.
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