Vogelperspektive: Man sieht Feiernde auf engem Raum, rotes Licht, DJ-Pult, Getränke in vielen Händen.
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Gerade stieg hier die letzte Party: Das "Harry Klein" ist geschlossen.

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Münchens Nachtleben: Geht da noch mal mehr?

Wieder einer weniger: Der altehrwürdige Technoclub "Harry Klein" hat dichtgemacht und wird langfristig einem Hotel weichen. Das Clubsterben hat in München eine traurige Tradition. Was sind die Gründe und wo entstehen gerade Lücken für die Subkultur?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Als wärs das letzte Mal" von DAF, der Band "Deutsch Amerikanische Freundschaft", im Boys Noize Remix: Mit diesem Titel gehen 20 Jahre Clubgeschichte zu Ende. Nach sieben Jahren in den Optimolwerken und 13 weiteren Jahren an der Sonnenstraße ist nun Schluss fürs "Harry Klein" – und München verliert wieder mal einen Club.

Wehmut habe er bisher keine, sagt Mitbetreiber Peter Süß, aber vielleicht komme die auch erst nach dem ganzen Trubel. Man wollte sich nicht mehr auf die monatlichen Vertragsverlängerungen einlassen, habe das Ende also immerhin selbst bestimmt: "Wir hatten irrsinnig gute letzte Wochen. Es war eine schöne Familienfeier."

Zukunft: Hotel statt Club

Auch wenn Süß betont, dass er nach vorne schaut und positiv bleibt, sieht die Realität in München wenig rosig aus. Wo das Harry Klein war, soll nun ein Hotel gebaut werden. Überhaupt hat das Nachtleben in den vergangenen Jahren unterm Strich mehr Orte verloren als gewonnen.

Das Problem ist für Süß ein strukturelles: "Auch wir haben mit unserem Netzwerk Schwierigkeiten, an Objekte ranzukommen. Wir haben es in fünf Jahren nicht geschafft, was zu finden, wo wir denken, da wäre eine vernünftige Weiterentwicklung möglich."

Positivbeispiel: das "Zirka"

Nordwestlich der sogenannten "Münchner Feierbanane", dem gebogenen Straßenabschnitt zwischen Sendlinger Tor und Maximiliansplatz, hat die Stadt derweil einen Kulturort dazugewonnen: das Zentrum für interdisziplinäre Raum- und Kulturarbeit, kurz "Zirka".

Seit vergangenem Jahr wird die alte "Halle 23", ein ehemaliges Gebäude der Stadtentwässerung im heutigen Kreativquartier an der Dachauer Straße, umgenutzt. In einem der größten Räume finden neben Raves auch Lesungen, Konzerte, Kunstinstallationen und Flohmärkte statt. In eine Ecke, mit Industriefenstern abgetrennt, ist Radio 80000, das angesehene Münchner Onlineradio, eingezogen.

Räume werden als Studios genutzt, als Büros, und der obligatorische Coworking-Space sowie eine Metall-Werkstatt sind dabei.

Altes Problem: Zwischennutzung

Aber natürlich ist auch das Zirka eine Zwischennutzung. Immerhin über einen vergleichsweise langen Zeitraum von fünf Jahren. "In München ist ja im Endeffekt alles eine Zwischennutzung", sagt Thomas Bauer, besser bekannt unter seinem DJ-Pseudonym Tom Zwotausend, der hier auch sein Büro hat, inklusive Plattenteller. Er betreibt die Plattform und Veranstaltungsreihe "Alternative Fakten" mit, macht das DJ-Booking für das "Puls Open Air" und ist auch sonst im Münchner Nachtleben sehr umtriebig und gut vernetzt.

Neulich habe er Gäste aus anderen Städten in München beherbergt, erzählt er, und erst einmal erklären müssen, was das überhaupt sei: Zwischennutzung.

Dabei ist die Idee für die Münchner Subkultur längst zum Alltag geworden: Von einer Zwischennutzung zur nächsten, vielfach nur auf ein bis zwei Jahre ausgelegt. Wenn man Glück hat, werden die Verträge kurzfristig verlängert. Wer Pech hat, ist raus, wenn sich der Laden gerade mal etabliert hat. Von den Investitionskosten erst gar nicht zu reden.

Nächster Ort zur Zwischennutzung: Gasteig

Auch der Gasteig wird nun, nachdem die Stadt München keine Investoren für die Sanierung finden konnte – Überraschung – zwischengenutzt. "Das größte Kulturzentrum Europas": vorerst für ein Jahr zur Umnutzung freigegeben. Aber natürlich freuen sich alle Musikerinnen und Musiker über bezahlbare Probenräume in München.

Auch das Jazz-Label "Squama" ist gerade aus dem Zirka in den Gasteig weitergezogen. Und die Erwartungen und Hoffnungen sind nicht unberechtigt groß – bei einem solchen Umfang.

Boost für die Szene?

Thomas Bauer glaubt, dass darin ein "unglaublicher Boost für die Musikszene" liegen könnte: "Du hast diese unglaublichen Räume, die eigentlich immer für die Hochkultur reserviert waren." Das sieht auch Peter Süß vom Harry Klein so: "Besser geht es eigentlich nicht für eine Stadt wie München." Dass solche Provisorien durchaus Potenzial haben, hat man unlängst am Beispiel der Isarphilharmonie, dem Ausweichquartier "Gasteig HP8", gesehen.

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