Schriftstellerin Juli Zeh
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Schriftstellerin Juli Zeh

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"Zwischen Welten": Moderner Briefroman von Juli Zeh

Nach "Unter Leuten" und "Über Menschen" beschreibt Juli Zeh gemeinsam mit Simon Urban in ihrem neuen Buch eine Freundschaft, die an politischen Haltungen zu zerbrechen droht - eine herausfordernde Lektüre, die bereits heftig diskutiert wird.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Damals, im Studium, waren Stefan und Theresa beinahe so was wie eine Familie füreinander in ihrer kleinen WG in der Unistadt Münster. Dann löste sich die WG von heute auf morgen auf, da Theresas Vater starb und sie den Bauernhof in Brandenburg übernahm. Währenddessen hat Stefan eine journalistische Karriere gemacht. Zwanzig Jahre lang haben die beiden keinen Kontakt miteinander - bis sie eines Abends in Hamburg an der Außenalster buchstäblich ineinanderrennen - eine Konfrontation, die erst in einen heftigen Streit mündet und anschließend in eine per Mail und WhatsApp geführte Debatte. "Zwischen Welten", heißt der Roman von Juli Zeh und Simon Urban, der heute bei Luchterhand erscheint - nach "Unter Leuten" und "Über Menschen" ein dritter literarischer Beitrag zum Zustand der Gegenwart.

"Konflikte, die unsere Gesellschaft umtreiben"

Zeh erklärt dazu: "Es sind alles drei Bücher, die ich als Gesellschaftsromane bezeichnen würde, die sich mit den aktuellen Fragen unserer Zeit befassen und vor allem auch mit den Konflikten, die unsere Gesellschaft umtreiben - zwischen Stadt und Land, zwischen Mann und Frau, zwischen arm und reich."

Denn Stefan und Theresa leben zwar in einem Land und gar nicht so weit voneinander entfernt - und doch in verschiedenen Welten. Während Stefan sich in seinen Artikeln für eine große Wochenzeitung um eine gender-gerechte Sprache bemüht, droht Theresas Ehe an ihrem 24-Stunden-Job als Landwirtin zu zerbrechen. Stefan setzt bei der Chefredaktion eine Sonderausgabe zum Thema Klimawandel durch, kann für die Umsetzung zwei sehr junge Aktivistinnen gewinnen und wird von diesen beinahe ausgebootet; Theresa versucht ihren Bio-Bauernhof vor der Insolvenz zu retten, allen bürokratischen Stolpersteinen und der längst realen Klimakatastrophe zum Trotz. Und während sie in ihren Mails von ihrem Alltag erzählen, einander missverstehen, zu überzeugen versuchen und sich dann per WhatsApp gegenseitig der Ignoranz beschuldigen, beginnt der Ukraine-Krieg, der alle bisherigen Gewissheiten noch einmal ganz neu durcheinanderschüttelt.

Moderner Briefroman

Juli Zeh und Simon Urban haben diesen modernen Briefroman, in dem zeitgemäße Medien Tinte und Feder ersetzen, gemeinsam geschrieben und dabei selber die verschiedensten Möglichkeiten der Kommunikation ausgelotet. "Am Anfang haben Simon und ich uns in einer Planungsphase getroffen, gelegentlich auch mal telefoniert und. gezoomt, haben sehr intensiv über die beiden Figuren gesprochen, Stefan und Theresa, und uns auch die Geschichte schon sehr vor Augen geführt - eigentlich bis aufs Ende, das war lange Zeit offen. Und danach begann dann die Schreibphase, in der waren wir entweder hier bei mir im Brandenburgischen oder bei ihm in Hamburg oder an der Ostsee und haben angefangen, gemeinsam den Text zu schreiben. Einer saß meistens am Schreibgerät, also vor allem am Laptop, der andere saß im Sessel oder ist auf und ab spaziert und hat improvisiert und diktiert. Und der andere hat versucht, das dann schon in eine gute Schreibform zu bringen - so ist der Text immer weiter gewachsen, bis wir dann am Schluss, in der Überarbeitungsphase den Roman in ein Google-Dokument stellen konnten, auf das wir beide Zugriff hatten, so dass wir teilweise sogar zeitgleich daran weitermachen konnten", erklärt Zeh den Schreibprozess.

Das liest sich sehr unterhaltsam und lässt zwischen, oft auch direkt auf den Zeilen eine Geschichte entstehen, die von Zerstörung erzählt und davon, was und wer uns in unserem Wir-Sein bestimmt. Eine herausfordernde Lektüre!

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