Die Bühne: eine Fantasymärchen-Unterwasserwelt. Muschelbänke und Korallenriffe in Rosarot, zartem Violett und Türkis, betont unecht, pastellfarben und pappendeckelig. Eine vierköpfige Liveband verzaubert mit einem Sound als gälte es, dem Disney-Klassiker "Arielle, die Meerjungfrau" Konkurrenz zu machen. Und tatsächlich tummeln sich hier die Nixen. Sämtliche Darsteller, ganz gleich ob Frau oder Mann, glitzern bauchabwärts fischig-schuppig und tragen Schwanzflossen an den Knöcheln. Es ist eine heile Unterwasserwelt, einerseits. Aber auch eine versunkene, eine untergegangene Welt, in der die Katastrophen-Meldungen unserer Tage in Form einer bizarren Nachrichtensendung das Meereshintergrundrauschen bilden.
Mit Kitsch gegen die Krisenkälte: Alles ist aus, aber wir haben ja uns
Die Krisenkälte unserer Gegenwart versuchen Bonn Park und Komponist Ben Roessler mit der Kraft des Kitsches zu bekämpfen. Ihr neues Stück will ein warmes Wohlfühlbad sein in Zeiten, in denen es einen eigentlich nur noch frösteln kann. Dabei haben sie sich an einem romantischen Kinoklassiker, der Romcom "Tatsächlich…Liebe" von 2003 orientiert, in der unter anderem Hugh Grant als verliebter britischer Prime Minister zu erleben war. Hugh heißt auch die Hauptfigur von "Alles ist aus…", ist Premiereministerin der Unterwasserwelt, wird trotzdem von einem Mann gespielt, und bekommt Staatsbesuch von Li, der Kaiserin von China.
Der Staatsbesuch wird zur Romanze: Hugh und Li verknallen sich ineinander, obwohl das eine unmöglich Beziehung scheint, treffen in ihnen doch zwei unverträgliche Systeme aufeinander: Demokratie und Diktatur.
Eine Art vorwärtsgewandte Nostalgie
Doch keine Romcom ohne Happy End. Hugh und Li werden ein Paar, wider alle Wahrscheinlichkeit – und die untergangsgeweihte Welt wird in Liebe vereint. Das alles meint Bonn Park, so wie er es geschrieben und inszeniert hat, hoch ironisch und bitterernst zugleich. Dieses Paradox steckt schon im Titel: "Alles ist aus, aber wir haben ja uns". Will sagen: die Lage der Welt ist hoffnungslos, dass einzige, was sie noch retten könnte, wäre, wenn die Menschen ihre Herzen füreinander öffnen würden. Ob man diesen poesiealbumschmalzigen Gedanken mit Bonn Park mitgehen will? Sagen wir so: die Kraft utopischen Denkens könnte der Menschheit sicher nicht schaden, um die Erde vor dem Ende zu bewahren. Utopie ist aber doch etwas grundlegend Anderes als sich in seichter Feelgood-Strömung zu suhlen.
Trotz solcher Einwände hätte der Abend zumindest aber beste Unterhaltung werden können. Nur plätschert er leider erstmal dahin, es dauert eine geraume Weile, bis er auf amüsante Spaßbad-Temperatur kommt, auch die ein oder andere Pointe mit Tiefgang zu bieten hat und eine Figur einen wirklich wunderbar aberwitzigen Gedanken fasst: So wie sich Menschen die Vergangenheit in der Erinnerung verklären, könnte man doch auch die Zukunft retuschieren. Sozusagen eine Art vorwärtsgewandte Nostalgie. Im Grunde versucht auch Bonn Park selbst mit seinem neuen Stück genau das: die Zukunft schönzufärben, weil die Aussicht auf sie sonst unerträglich ist. Nur verwendet er dabei entschieden zu viel Rosarot.
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