Sel. Rupert Mayer in Poing
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Sel. Rupert Mayer in Poing

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Minimalistisches Gotteshaus: "Sel. Rupert Mayer" in Poing

Architekt Andreas Meck gelang in Poing ein lichtdurchfluteter neuer Sakralbau, der sich als "Stadtkrone" versteht. Dazu war gar kein hoher Turm nötig. Stattdessen zieren 15.000 weiße, individuelle Keramikkacheln die Fassade. Von Moritz Holfelder

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Man nähert sich diesem Gebäude – und ist unsicher, um was es sich da handelt. Da steht mitten im Ort ein eigentümlicher Solitär, man kann auch sagen: eine Skulptur. Die Grundfläche erscheint quadratisch, aber es gibt keine identischen Fassadenseiten. Das liegt an den schräg zueinander versetzten Dachlandschaften mit ganz unterschiedlich steil aufragenden Keilen. Kein Wunder, dass diese Kirche von den Poingern als Sprungschanze Gottes tituliert wird. Der steilste, nach oben hin immer enger zulaufende Keil erreicht eine Höhe von immerhin 30 Metern. Sichtbarkeit war ihm wichtig, sagt Architekt Andreas Meck:

Es ist so, dass in unmittelbarer Nähe der Turm der evangelischen Kirche und der Turm der Feuerwehr sehr hoch auch ist, das ist der Grund, weshalb wir entschieden haben, nicht noch mal einen dritten Turm zu bauen, sondern gesagt haben, die Kirche wird hoch und die Kirche wird das Element, das von weitem wahrnehmbar ist und nicht der Kirchturm. - Andreas Meck

"Stadtkrone für Poing"

Futuristisch erhaben wirkt die Außenhaut – bestehend aus 15.000 weißen Keramikguss-Kacheln mit jeweils individueller Glasur. Auch sie sind quadratisch und entsprechen in der Proportion dem Grundriss.

Die Gesamtidee, die dahinter steckt, ist die, dass wir an dieser Stelle ein kristallines Gebäude, eine kristalline Stadtkrone für Poing schaffen wollten. Ein Gebäude, das mit Lichtreflexen auch ein gewisses Funkeln an dieser Stelle erzeugt. - Andreas Meck

Der Sockel der Kirche besteht innen wie außen aus gemauertem Nagelfluh, einem, so sagt man, Konglomeratstein, der typisch ist für die oberbayerische Schotterebene, zusammengebacken aus Kieseln verschiedener Größen und in der Farbigkeit recht abwechslungsreich. Dieser wie aus dem Grund gewachsenen Basis ist der kristalline Körper aufgesetzt, der den Bau so richtig zum Schwingen bringt.   

Kreuzförmiges Dach

Pur ist dieses Gotteshaus, minimalistisch und trotzdem sinnlich, eben weil es im Detail raffiniert, aber nicht mit auftrumpfender Geste konzipiert wurde. Das lässt sich auch bei Andreas Mecks anderen Kirchen rund um und in München erleben, allesamt Lichträume mit einzigartiger Raumatmosphäre. Das Besondere an Poing: Die Decke im Innenraum ist wie das Dach außen kreuzförmig in vier Segmente aufgeteilt und lebt von starken Knicken. Manche Flächen steigen steil auf, andere begnügen sich mit leichten Schrägen. Das himmlische Licht kommt von oben, durch drei von außen kaum wahrnehmbare Öffnungen.

Drei ist eine symbolische Zahl, die „Dreifaltigkeit“, in der katholischen Kirche. Das ist einmal hier das Zenith-Licht von oben, das den wichtigsten Teil, nämlich Altar und Ambo beleuchtet, das ist das Ostlicht, das unten mit einer Öffnung korrespondiert, wo sie auf den Weg von Poing rausschauen können, das ist der Tauf-Ort. Und es gibt die Öffnung hier, wo die Orgel steht, dort fällt ebenfalls Licht in den Raum. - Andreas Meck

Komplexe Raumdramaturgie

Andreas Meck hat einen Raum geschaffen, der weit und trotzdem intim ist, der atmet und das einfallende Licht durch kaum wahrnehmbare Knicke in den Wänden geschickt variiert. Ob man nun gläubig ist oder nicht – der Wirkung dieser architektonisch skulpturalen Faltungen und Schichtungen kann man sich nicht entziehen. Mit scheinbar ganz einfachen Mitteln entsteht eine komplexe Raumdramaturgie, die der eine als spirituell transzendent empfinden mag und der andere als architektonisch kühn und konstruktiv gewagt. Recht haben sie beide – diese Kirche fordert alle gleichermaßen auf: Kommt und seht!