Michel Houellebecq
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Michel Houellebecq

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Islamfeindlichkeit: Michel Houellebecq wird nun doch angezeigt

Vor Wochen hatte sich der französische Schriftsteller in einem Interview islamfeindlich geäußert. Erst wurden Anzeigen angedroht, dann wieder zurückgezogen. Nun kommt es doch dazu.

Die Distanzierung hat nicht geholfen. Nach einem Gespräch mit Rektor der großen Moschee in Paris, Chems-eddine Hafiz, am 5. Januar war Michel Houellebecq eigentlich zurückgerudert. Im November hatte er im Interview mit dem französischen Philosophen Michel Onfray prophezeit, dass es zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen die muslimische Bevölkerung in Frankreich kommen werde.

Houellebecqs düsterer Prophezeihung: "umgekehrte Bataclans"

Von "umgekehrten Bataclans" sprach Houellebecq damals. Und weiter: "Ich glaube, der Wunsch der französischen Stammbevölkerung ist nicht, dass die Muslime sich assimilieren, sondern dass sie aufhören, uns zu bestehlen und zu attackieren, kurz gesagt, dass ihre Gewalttätigkeit abnimmt, dass sie das Gesetz und die Menschen respektieren. Eine gute Lösung wäre es auch, wenn sie einfach abhauen."

In diesen Sätzen drücke sich nicht seine eigene Meinung, sondern die des französischen Normalbürgers aus, stellte Houellebecq im Gespräch mit Hafiz klar – woraufhin dieser seine Anzeige ruhen ließ. Zuvor hatte Hafiz, einer der prominentesten Vertreter des liberalen Islam in Frankreich, den Schriftsteller scharf kritisiert: Dieser schüre mit seinen Äußerungen pauschal den Hass auf die Musliminnen und Muslime im Land.

Moscheeverband stellt neue Anzeige gegen Houellebecq

Houellebecq gab immerhin zu, dass seine Aussagen "ambivalent" gewesen seien. Und kündigte an, das Interview für ein künftiges Buchprojekt nochmal präzisieren zu wollen – sodass es für Musliminnen und Muslime nicht mehr verletzend sei. Also alles gut?

Nicht für die Union des Mosquées de France (Vereinigung der Moscheen in Frankreich). Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP erstattete der Moscheeverband am Freitag Anzeige – und das nicht nur gegen Houellebecq, sondern auch gegen Michel Onfray sowie Stéphane Simon, den Direktor der Zeitschrift, in der das inkriminierende Interview ursprünglich erschienen ist. Die Begründung ist nicht neu: Das Interview rufe zu "Diskriminierung, zu Hass und Gewalt" auf.

Vorwurf: Houellebecqs Aussagen werden weiter verbreitet

Mohammed Moussaoui, Präsident der UMF, wies darauf hin, dass das Versprechen einer Klarstellung nicht ausreiche. Immerhin sei die Ausgabe der Zeitschrift mit den entsprechenden Passagen immer noch im Handel. Die Muslime in Frankreich verstünden nicht, wie Houellebecq einerseits zugeben könne, dass seine Aussagen problematisch seien, "und andererseits nichts dafür tut, um ihre Verbreitung zu beenden." Wie Hafiz steht auch Moussaoui für einen gemäßigten Islam.

Wie immer dieser juristische Vorstoß gegen Houellebecq ausgeht, überraschend sind seine Einlassungen in jedem Fall nicht. Die Provokationslust des Autors ist bekannt. Houellebecq äußerte sich etwa bewundernd über das illiberale System Putins in Russland und feierte Trump als einen der besten Präsidenten, die die USA je gehabt hätten. Adam Soboczynski nannte ihn daher in der "Zeit" schon vor Jahren einen "neurechten Denker".

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