Schriftsteller Michel Houellebecq
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Umstritten: Der Schriftsteller Michel Houellebecq steht wegen islamfeindlichen Äußerungen in der Kritik

    Michel Houellebecq: Anzeige wegen islamfeindlicher Äußerungen

    Michel Houellebecq gilt als Enfant terrible der französischen Literaturszene. Zuletzt äußerte er sich in einem Interview islamfeindlich und schwadronierte von "umgekehrten Bataclans". Das hat nun juristische Konsequenzen.

    Es ist eine düstere "Prophezeiung" mit Schlagseite hin zur Gewaltfantasie, zu der sich Michel Houellebecq in seinem Gespräch mit dem Philosophen Michel Onfray verstieg. Ende November veröffentlichte dessen Zeitschrift "Front Populaire" ein langes Interview mit dem derzeit wohl wichtigsten französischen Romancier. Darin imaginiert Houellebecq unter anderem eine nationale Rebellion. Und zwar gegen die Musliminnen und Muslime im Land.

    Houellebecq imaginiert "umgekehrte Bataclans"

    "Wenn ganze Territorien unter islamistischer Kontrolle sein werden, denke ich, dass es Widerstandsakte geben wird", so Houellebecq. "Es wird Attentate und Schießereien in Moscheen geben, in von Muslimen besuchten Cafés, kurz: umgekehrte Bataclans."

    Houellebecq bedient damit einerseits das Narrativ vom "großen Austausch", das auf den Rechtsintellektuellen Renaud Camus zurückgeht. Andererseits unterscheidet er fundamental zwischen Muslimen und dem Rest der Gesellschaft – und unterstellt ersteren pauschal, die französische Gesellschaft zu unterminieren. "Ich glaube, der Wunsch der französischen Stammbevölkerung ist nicht, dass die Muslime sich assimilieren, sondern dass sie aufhören, uns zu bestehlen und zu attackieren, kurz gesagt, dass ihre Gewalttätigkeit abnimmt, dass sie das Gesetz und die Menschen respektieren. Eine gute Lösung wäre es auch, wenn sie einfach abhauen."

    Diese Äußerungen bleiben nicht folgenlos. Mittlerweile wurde Houellebecq deswegen angezeigt. Einer der wichtigsten Vertreter des Islams in Frankreich, der Rektor der großen Moschee in Paris, Chems-eddine Hafiz, geht juristisch gegen ihn vor. In einer Erklärung kritisierte er die "erstaunliche Brutalität" der Auslassungen von Houellebecq. Und warnte, dessen Äußerungen seien dazu angetan, den Hass auf Musliminnen und Muslime zu schüren.

    • Zum Artikel: Michel Houellebecq: Vom Apokalyptiker zum Team Hoffnung?

    Hafiz ging schon einmal juristisch gegen Houellebecq vor

    Hafiz, ein franko-algerischer Anwalt, gilt als Vertreter eines liberalen Islam und setzte in der Vergangenheit Zeichen gegen den sogenannten Islamismus. Unter anderem unterzeichnete er 2021 die "Prinzipien-Charta für einen Islam Frankreichs", die festschreibt, dass die Gesetze der französischen Republik auch für den Islam gelten müssten. Nach dem Anschlag auf Salman Rushdie im zurückliegenden Jahr geriet Hafiz allerdings durch einen unpassenden Tweet in die Kritik. Durch einen Unterstützerbrief an Rushdie versuchte Hafiz damals, die Wogen zu glätten.

    Bereits 2002 ging Hafiz juristisch gegen Houellebecq vor. Dieser hatte damals den Islam als "dümmste aller Religionen" bezeichnet. Belangt wurde er dafür allerdings nicht. Die Klage wurde abgewiesen. Diesmal stünden die Chancen allerdings besser, meint der Literaturwissenschaftler Niklas Bender in der "FAZ". Seine Erklärung: "Michel Houellebecq greift nicht mehr wie 2002 eine Religion als Doktrin an, was das französische Gesetz erlaubt, sondern attackiert eine Bevölkerungsgruppe, die er generell als problematisch darstellt – seine Verteidigung dürfte es deutlich schwerer haben."

    Houellebecq: Provokateur oder "neurechter Denker"?

    Ganz überraschend kommen die Einlassungen von Houellebecq in jedem Fall nicht. Die Provokationslust des Autors ist legendär. Houellebecq äußerte sich bereits bewundernd über das illiberale System Putins in Russland und feierte Trump als einen der besten Präsidenten, die die USA je gehabt hätten. Adam Soboczynski bezeichnete ihn daher in der "Zeit" schon vor Jahren als "neurechten Denker".

    Auch der Islam spielte in seinen Romanen bereits eine Rolle. Am prominentesten in "Unterwerfung" (2015). Darin imaginiert Houellebecq eine muslimische Machtübernahme in Frankreich – ob zum Wohl oder Wehe des Protagonisten bleibt dabei allerdings schillernd ambivalent. So viel Differenzierung erlaubt sich der Autor in seinen politischen Einlassungen offensichtlich nicht.

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