Die Forderung ist nicht ganz neu. Schon im Zuge der Veröffentlichung des Gutachtens über sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising vor einem Jahr wurden Stimmen laut, die danach riefen, die nach den Kardinälen Faulhaber, Wendel und Döpfner benannten Straßenzüge in München umzubenennen. Passiert ist seitdem jedoch nichts.
Drei Kardinäle – 28 Fälle von Fehlverhalten
Das hat nun den "Bund für Geistesfreiheit" (bfg) auf den Plan gerufen. Ein Verein, der laut eigener Aussage antritt, die Interessen von Menschen zu vertreten, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören. "Die Kardinäle Faulhaber, Wendel und Döpfner haben es nicht verdient, in München mit einem Straßennamen geehrt zu werden", heißt es in einer Mitteilung des bfg vom Freitag. Und weiter: "Dazu genügt ein Blick in das Missbrauchsgutachten, das nachvollziehbar belegt wie Missbrauchstäter geschützt und Opfer und ihr Leid ignoriert und missachtet wurden."
Tatsächlich wirft das Münchner Missbrauchsgutachten den drei Kirchenoberen Verfehlungen in 28 Fällen vor. In die Amtszeit von Michael von Faulhaber (1945-1952) fallen vier, in jene von Joseph Wendel (1952-1960) acht – und bei Kardinal Julius Döpfner (1960-1976) schlagen gleich 14 Fälle zu Buche. Zur Causa Döpfner heißt es im Gutachten außerdem: "In einer bis dahin nicht feststellbaren Anzahl wurden einschlägig straffällig gewordene Priester aus anderen (Erz-)Diözesen innerhalb sowie außerhalb Deutschlands in den Dienst der Erzdiözese München und Freising übernommen und ohne weitere tätigkeitsbeschränkende oder -begleitende Maßnahmen in der Seelsorge eingesetzt. Diese Praxis wurde in vergleichbarer Weise noch unter dem Nachfolger des Erzbischofs Kardinal Döpfner (Anm.: gemeint ist Erzbischof Ratzinger) fortgeführt und erfuhr erst danach einen spürbaren Rückgang."
Forderung: Aufnahme in Liste von problematischen Straßennamen
Als ersten Schritt fordert Michael Wladarsch, Vorsitzender des bfg München, deshalb, dass sowohl die Kardinal-Wendel-Straße als auch die Kardinal-Döpfner-Straße auf der städtischen "Shortlist" von Straßennamen "mit erhöhtem Diskussionsbedarf" landen. Erstellt wurde diese Liste vom Münchner Stadtarchiv. Derzeit sind dort 45 Straßenzüge aufgeführt, die nach Personen benannt wurden "deren lebensgeschichtliches Wirken darauf hindeutet, dass ihr Handeln in einem eklatanten Widerspruch zu fundamentalen und überzeitlichen humanitären und demokratischen Grundwerten stehen könnte." Dazu zählen vor allem Antisemiten oder NS-Anhänger. Die Martin-Heidegger-Straße steht ebenso auf der Liste wie die Richard-Wagner-Straße.
Auch die Kardinal-Faulhaber-Straße im Herzen der Münchner Altstadt hat es auf die Shortlist geschafft – allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Missbrauchsgutachten. Diskussionswürdig erschien Faulhaber dem Stadtarchiv vielmehr wegen seiner antidemokratischen Grundhaltung. "In letzter Stunde gab die Vorsehung dem deutschen Volk einen Mann, der es, so Gott will, zu einem besseren Reich führen soll", notierte der Kardinal anlässlich der Machtübernahme Hitlers in sein Tagebuch.
Die Stadt München will Straßennamen überprüfen
Der Würzburger Stadtrat hat deshalb bereits die Umbenennung des städtischen Kardinal-Faulhaber-Platzes beschlossen. In München steht eine derartige Entscheidung noch aus. Auf Anfrage des BR teilte das Kulturreferat mit, man wolle sämtliche mit Straßennamen geehrten Personen, deren Verhalten im Missbrauchsgutachten problematisiert werde, überprüfen. Allerdings: "Das Ergebnis und eine Empfehlung liegen aktuell noch nicht vor".
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