In der von acht deutschen Buchhandlungen herausgegebenen "Edition 5Plus", zu der die Regensburger Buchhandlung Dombrowsky genauso gehört wie die Münchner Buchhandlung Lehmkuhl, hat Michael Krüger nun Erinnerungen an seine Kindheit und frühe Jugend im Alter von zehn bis 17 Jahren veröffentlicht: "Das Strandbad". Knut Cordsen hat das schmale Buch gelesen und Michael Krüger zum Interview getroffen.
An Sonntagen im Sommer fuhr man, wenn man etwas auf sich hielt, ins Strandbad Wannsee. Das Strandbad war Ostsee und Nordsee in einem ... Ach, der Sand des Strandbads Wannsee. Wenn man ihn zwischen den Zehen spürte, hatte der Sommer begonnen. Auszug aus der Lesung von Michael Krüger
Michael Krügers Kindheits- und Jugenderinnerungen kreisen um das weiße Gestade des titelgebenden Berliner Strandbads – und sie machen dieses auf rund 100 Seiten zum zentralen Ort seiner Kindheit und Jugend. Ganz in der Nähe des Literarischen Colloquiums gelegen, das Walter Höllerer 1963 gründen und in dem der lesehungrige Michael Krüger ein- und ausgehen sollte, war es zehn Jahre zuvor, 1953, der Ort, an dem er las, mit Freunden den ersten Kontakt zu Mädchen suchte, kurzum: der Ort von Herzensbildung, éducation sentimentale und philosophischer Lektüre gleichermaßen: Aristoteles z.B., zusammen mit einem Schulfreund.
Erste Bekanntschaften mit Künstlern, Denkern, Säufern in Berliner Kneipe
"In dieser etwas zerschlagenen Nachkriegszeit", sagt Michael Krüger, "lasen wir eben die Nikomachische Ethik zusammen, und zwar richtig ernsthaft. Die wurde gekauft in der Akademie-Ausgabe in der DDR, also in Ost-Berlin. D.h., wir tauschten Geld um, 1:4, fuhren rüber, kauften die Akademie-Ausgabe in drei Exemplaren, verkauften ein Exemplar im Westen und verdienten damit so viel Geld, dass wir damit die nächste Fuhre bezahlen konnten. Da wurden meine kaufmännischen Instinkte schon stark entwickelt."
Die bescheidenen Anfänge eines späterhin überaus erfolgreichen Verlegers, der gerade in München-Bogenhausen auf gepackten Koffern sitzt, weil er in seinem 79. Lebensjahr nach Berlin zurückzieht – in die Stadt, in die er als Sechsjähriger kam, in der er das Dreilinden-Gymnasium besuchte und - als Schule des Lebens - die verruchten "Gamba-Stuben", in denen er erste Bekanntschaften mit der Bohème schloss: mit Künstlern, Denkern, Säufern und einem tiefmelancholischen Wirt.
Strandbad Wannsee war für Krüger mehr als eine Universität
"Dieses Büchlein ist ja entstanden, weil mich ein Redakteur der ‚Zeitschrift für Ideengeschichte’ gefragt hat, ob ich irgendetwas mit dem Strandbad Wannsee verbinde, weil er darüber ein Heft machen wollte: Architektur, Tourismus, Freizeitverhalten nach dem Krieg," erzählt Michael Krüger. Damals habe er geantwortet: "Na höre mal, das Strandbad Wannsee, das ist für mich mehr gewesen als eine Universität, da habe ich alles gelernt, was ich überhaupt weiß." Darauf habe der Redakteur gesagt: "Schreib das auf!"
Ein guter Ratschlag, denn Michael Krüger, der an verstreuten Orten in den vergangenen Jahren autobiographische Miszellen veröffentlicht hat, schreibt hier ein überaus schönes, zart-ironisches Selbstporträt des Dichters als junger Mann.
Natürlich wollte ich Dichter werden. Eigentlich war die einzige erstrebenswerte Existenz, die ich mir vorstellen konnte, ein Dichter zu sein. Aber wie wird man ein Dichter? Auszug aus der Lesung von Michael Krüger
Anklänge von „Herkunft“ von Botho Strauß
"Das Strandbad" hat auch Anklänge an Botho Strauß‘ Büchlein "Herkunft", - auch dies eine Kindheits- und Jugenderinnerung mit einer prägenden Vaterfigur im Mittelpunkt. Dem Postassessor Helmut Otto Krüger sind neben Mutter Luise einige aufschlussreiche Seiten gewidmet: ein sportlicher Mann, ganz anders als sein jüngster Sohn, der sich deshalb auch stets wie eine „Negativkopie“ seines Erzeugers vorkam, "wie ein sehr unvollkommenes Abbild". Erst im Alter, sagt Michael Krüger, sei ihm dieser zeitlebens eher ferne Vater nähergekommen. Er entdeckte, "dass er in mir steckt, dass ich nicht wäre ohne ihn, dass er in meiner Sprache, in meinen Gesten und in meiner Haltung anwesend ist – oft mehr, als mir lieb ist." Arbeitsam, immerzu beschäftigt sei sein Vater gewesen, erzählt Michael Krüger.
"Das habe ich leider von ihm geerbt. Der hatte auch große Schwierigkeiten, loszulassen, auszuruhen usw. Er las viel, meistens historische Sachen, aber auch Romane, und Fontane war immer seine Lieblingslektüre, also insofern rückt er mir jetzt, je älter ich werde, immer näher. Ich bin wirklich gespannt, wie er aussieht, wenn ich ihm demnächst ja mal im Himmel begegnen werde", sagt Michael Krüger.
Am 14. Juli wird Michael Krüger sein Buch "Das Strandbad" in der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl vorstellen. Der in der "Edition 5plus" in limitierter und nummerierter Auflage erschienene Band kostet 16.80 Euro.
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