Das Bild vom Maulwurf kennen vermutlich viele. Er stapft mit grimmigem Blick durch die Gegend, denn auf seinem Kopf thront – igitt – eine Wurst. Das Bilderbuch "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat" – zu einer Geschichte von Werner Holzwarth – gehört zu den bekanntesten Veröffentlichungen von Wolf Erlbruch. Das kleine Wesen marschiert – zurecht empört – zu einer Reihe von Tieren, immer der leitenden Frage folgend. Eine kleine, fröhliche Philosophie der Verdauung.
Bilder mit enormer Tiefe
Das Bilderbuch – 1989 erschienen und seitdem millionenfach verkauft – zeigt Erlbruchs große Freude an Tierfiguren. Er zeichnete sie mit klarer Linie, ebenso mit Farbe – und immer wieder auch mit einer Vorliebe für ironische oder auch groteske Anordnungen, denkt man an ein Bild wie den "Wendehals", einen doppelten, am Hals miteinander verschlungen Vogel. Vor allem aber hatte dieser Bildererzähler einen eigenen, unverwechselbaren Stil. Er arbeitete gerne mit unterschiedlichen Flächen und Ornamenten, manche seiner Illustrationen – mit enormer grafischer Tiefe – wirken wie Collagen.
Mal zeichnete Erlbuch zurückgenommen, mal expressiv-wild, etwa in den Bildern für das "Hexeneinmaleins" nach dem gleichnamigen Text von Johann Wolfgang von Goethe. Die Liste der von ihm illustrieren Bücher ist lang, er zeichnete unter anderem die Bilder für Bücher von Mirjam Pressler oder Bart Moeyaert, für wichtige Erzählerinnen und Erzähler im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur. Ebenso bebilderte Erlbruch Texte von Karl Philipp Moritz oder James Joyce – er arbeitete, wie jeder ernsthafter Illustrator, gleichermaßen für kleine und große Leser.
Viele Auszeichnungen, darunter zu Ehren Astrid Lindgrens
Für sein Werk wurde Wolf Erlbruch – geboren 1948 in Wuppertal – vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, ebenso mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis und, 2017, mit dem Astrid-Lindgren-Memorial-Award (ALMA), der – als hochdotierte Auszeichnung – immer wieder als Nobelpreis der Kinder- und Jugendliteratur bezeichnet wird. Erlbruch ist bislang der einzige deutsche Künstler, dem die Ehre des ALMA zuteil wurde.
Nach einem Studium an der Essener Folkwang-Schule war Wolf Erlbruch zunächst als Grafiker im Bereich Werbung tätig und arbeitete unter anderem für Magazine wie Stern und twen. In den 1980er Jahren begann er mit der Illustration von Büchern, 1985 erschien der erste von ihm gestaltete Band: "Der Adler, der nicht fliegen wollte", nach einer Geschichte des ghanaischen Pädagogen James Aggrey. Immer wieder veröffentlichte Erlbruch "seine" Bücher in wichtigen unabhängigen Verlagen wie Peter Hammer, Kunstmann oder Hammer.
Bilderwelten, die für sich stehen
Neben der Arbeit an den Büchern war der Künstler seit 1990 an verschiedenen Hochschulen in Wuppertal und Essen als Professor und Lehrer tätig. Seiner Geburtsstadt Wuppertal blieb er sein Leben lang treu. Und die große Freude am Erzählen in Bildern gab er an seinen Sohn Leonard weiter. Er ist dem Vater gefolgt und arbeitet ebenfalls als Bilderbuchillustrator.
Über die eigene Kunst – über das Illustrieren, das Bebildern – gab Erlbruch vermutlich am liebsten im Hochschul-Atelier Auskunft. Interviewanfragen für das Radio wies er gerne zurück. Und verwies statt dessen auf seine Bücher. In der Tat: Diese stehen für sich, in ihrer Gestaltung, ebenso aber in ihrem Ausdruck, in ihrer poetischen Kraft. Wolf Erlbruch gehört zum kleinen Kreis der Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland, deren Werk weltweit wahrgenommen wird. Er hat für diese Form des Erzählens gelebt. Und er hat ihr, über alle Kinderzimmer hinaus, zu großem Ansehen verholfen.
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