Eine animierte Frau, Stupsnase, strahlend weiße Zähne, grüne Kulleraugen, leuchtend grüne Haare.
Bildrechte: Splendid Film

Magisch schönes Waldwesen: Mavka.

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Zweifelhafte Message: Ukrainische Kinosensation "Mavka"

Kein Animationsfilm war in der Ukraine so erfolgreich wie "Mavka – Hüterin des Waldes". Vergangenes Jahr unter Kriegsbedingungen fertig gestellt, brach er prompt alle Rekorde. Doch die Botschaft des Kinderfilms ist äußerst fragwürdig.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Mavka toppt alles: Sie hat nicht nur grüne Haare, sondern auch grüne Augenbrauen und Wimpern, ihre Augen sind so groß wie die eines Koboldmakis mit Lupenbrille und ihre Taille so schmal, dass Eiskönigin Elsa dagegen adipös erscheint. Aber Mavka ist ja auch kein Mensch, sondern eine Seele: "Ich bin Mavka, die Seele unseres Waldes", stellt sie im Film schnell klar.

Der Konflikt: Mavka vs. Flötenspieler Lukas

Als solche hütet sie das Geheimnis des Waldes: eine Quelle, deren Wasser jung macht. Nur weiß eine reiche Schurkin von der Existenz der Quelle und schickt den Flötenspieler Lukas in den Wald, um sie zu finden.

Der Film basiert lose auf der ukrainischen Mythologie und einem Text der ukrainischen Dichterin Lesja Ukrainka. Doch aus Ukrainkas düsterem Mavka-Charakter hat das Studio eine familientaugliche Geschichte mit Abenteuerelementen, lustigen Tierfiguren und Happy End gemacht.

Acht Jahre lang hat das vergleichsweise kleine Studio "Animagrad" aus Kiew an dem Film gearbeitet, die Animationen beeindrucken durch aufwändige Landschaften mit vielen Details und wilden Kamerafahrten.

Filmproduktion im Kriegsalltag

Und das ist bemerkenswert. Denn die Bedingungen, unter denen das Team arbeiten musste, hätten schwieriger nicht sein können, erzählt die Produzentin Iryna Kostyuk: "Als die Bombardierung am 24. Februar begann, hat die Produktion ein paar Wochen ausgesetzt, das ganze Leben war zum Erliegen gekommen. Aber wir mussten den Film fertigstellen."

Ein Teil des Teams ging an die Front, andere arbeiteten in Bunkern oder in ihren Badezimmern, weil das als relativ sicher galt, der Art Director floh mit seinem kleinen Sohn aus den besetzten Gebieten. Zusammengefasst: "Wir haben unter Umständen gearbeitet, unter denen wohl nie zuvor ein Animationsstudio gearbeitet hat."

Der Weg in die europäischen Kinos

Der Krieg und die Flucht vieler ukrainischer Mütter und Kinder hat in mehreren europäischen Ländern dazu geführt, dass der Film vor dem Start in Landessprache bereits erfolgreich auf Ukrainisch angelaufen ist.

Für die ukrainischen Kinder ist es der einzige Film, den sie in ihrer Muttersprache im Kino sehen können. Und dann auch noch ein Film über eine Figur ihres Landes, mit ukrainischer Tracht und ukrainischer Musik.

Vorhersehbare Charaktere, schlechtes Drehbuch

Doch leider ist "Mavka" ein schlechter Film. Trotz der technisch beeindruckenden Animationen ist die Optik insgesamt unharmonisch. Einzelne Figuren bleiben grobschlächtig und hölzern, manche Szenen erinnern an schlechtes Schülertheater, zu viel Text trifft auf zu wenig gestische Ideen. Überhaupt fehlt es an Energie, selbst in den magischen Momenten kommt einfach keine Stimmung auf.

Vieles davon muss man dem geringen Budget zuschreiben. Ein gutes Skript aber kostet auch nicht mehr als ein schlechtes. Und die Hauptcharaktere sind gähnend langweilig, Mavka zeichnet sich durch eine einzige Eigenschaft aus: Gutmütigkeit. Lukas ist ein stürmischer Musiker, aber leider ein bisschen doof. Und die Schurkin interessiert sich nur für Geld und Äußerlichkeiten.

Auch die Nebenfiguren hat man so schon in Dutzenden anderen Filmen gesehen: neidische Konkurrentinnen, muskelbepackte Volltrottel und lächerlich eilfertige Diener vom Typ Lackaffe.

Aufopferung und Zerstörungswut

Das dicke Ende aber kommt zum Schluss: Um ihren Wald zu retten, opfert Mavka ihr Leben. Wohlwissend, dass sie daran sterben wird, lässt sie sich von einem Waldgeist einen Tropfen Wut geben und zieht mit dieser Wut im Blut in einen alles zerstörenden Kampf gegen die Angreifer.

Dank einer dramaturgisch hanebüchenen Wendung überlebt sie doch und kann nach ihrem zerstörerischen Wutrausch gemeinsam mit Lukas überglücklich die Magie der Musik und Liebe feiern.

Ein Film, der Gewalt mit noch größerer Gewalt beantwortet? Solch eine Botschaft war schon vor Kriegsausbruch fragwürdig. Seit dem Überfall liest sich die Geschichte noch einem völlig neu.

Die Botschaft: Schutz der eigenen Werte

"Es geht darum, sein Land und seine Werte zu schützen, und dass man sich manchmal sogar opfern muss, wenn Gefahr droht", kommentiert Iryna Kostyuk. "Wir haben nie danach gestrebt, den Film so zu sehen, aber wir sehen ihn jetzt mit völlig neuen Augen."

Kinder können oft sehr gut zwischen Fantasie und Realität unterscheiden. Sie wissen, dass reale Gefallene durch Flötenspiel nicht wieder auferstehen. Abgesehen davon dürften die meisten die Parallelen zur Aktualität gar nicht bemerken.

Billige Tricks fürs kindliche Vergnügen

Die Story ist so unausgegoren und verworren, dass am Ende nur "irgendwas mit Liebe und Musik" übrigbleibt und vermutlich keinen Schaden anrichtet.

Trotzdem werden wohl auch die deutschen Kinder den Film lieben, dafür sorgen schon Kindchenschema und Katzenfrosch, Zauberei und Schoßhündchen.

Dieser Artikel ist erstmals am 5. Juni 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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