Schon die Titel der Bücher von Maja Göpel formulieren einen optimistischen, beinahe hochfliegenden Anspruch: "Unsere Welt neu denken" erschien 2020, "Wir können auch anders. Aufbruch in die Welt von morgen" war für das Frühjahr 2022 angekündigt. Dann wurde das Buch verschoben, nun soll es Anfang September erscheinen. Die Verzögerung könnte auch damit zu tun haben, dass es im Hintergrund eine Diskussion über Göpels Ghostwriter gab.
Ein Co-Autor, der nicht genannt werden will
Wie die "Zeit" berichtet, hat Maja Göpel ihr Buch in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Marcus Jauer geschrieben, der seinerseits viel zur Klimathematik arbeitet. Genannt wird Jauer allerdings nirgendwo. Und das auf ausdrücklichen eigenen Wunsch, wie Jauer gegenüber der "Zeit" mitteilte. Der Journalist habe, so das Blatt, um sein Renommee gefürchtet, "wenn bekannt werden sollte, dass er bloß Maja Göpels Ghostwriter ist, ein Auftragsschreiber". Deshalb habe es mit dem Ullstein-Verlag "eine Art Stillschweigepakt" gegeben, das Honorar für das viel verkaufte Buch sei jedoch zur Hälfte zwischen Göpel und ihrem Co-Autor aufgeteilt worden.
Ist das ein brisanter Fall verschleierter Autorschaft, vergleichbar den Debatten um Plagiatsvorwürfe bei Prominenten wie Annalena Baerbock, Franziska Giffey, CSU-Generalsekretär Martin Huber, der Soziologin Cornelia Koppetsch oder ihrer Fachkollegin Ulrike Guérot? Oder lässt sich am Beispiel Maja Göpel eher etwas über die Rolle von Expertinnen und Experten in der Öffentlichkeit lernen?
Die Expertin, das öffentliche Wunderwesen
Der Ullstein-Verlag stellt seine Autorin Göpel als "Politökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft" vor, sie selbst bezeichnet sich auf ihrer Webseite als "Expertin für Transformationsforschung, Autorin, Rednerin, Beraterin, Hochschullehrerin". Eine Aufzählung sehr unterschiedlicher Rollen, die bereits deutlich macht, wie viel die Öffentlichkeit von Expertinnen und Experten verlangt: Sie sollen ihr Fach verstehen, auf der Höhe der Forschung sein, und das alles allgemeinverständlich einem Laienpublikum erklären können.
Maja Göpel schien für diese Anforderungen bestens geeignet. Sie ist studierte Medienwirtin und Ökonomin, Honorarprofessorin für Nachhaltigkeitstransformationen an der Leuphana Universität Lüneburg, Mitglied im Club of Rome und Mitbegründerin von Scientists4Future. Göpel kann reden, ob in der Talkshow oder der Bundespressekonferenz, sie beschreibt mit Nachdruck die Dringlichkeit der Klimakrise – und zeigt zugleich Möglichkeiten auf, wie Politik und Gesellschaft dieser Lage begegnen können. Eine Mischung also aus Alarm und Optimismus, die wachrütteln soll.
All das in die Form eines populären Sachbuchs zu bringen, ist jedoch noch einmal etwas anderes, als es rhetorisch zu vertreten. Und dafür, so schreibt die "Zeit", habe sich Göpel einen Helfer gesucht, der – Zitat Göpel – "den Beat vorgibt" und die "schönen Geschichten" schreibt, "mit denen man so reinrutscht". Marcus Jauer hat diese Aufgabe offensichtlich mit Bravour erfüllt – das Buch wurde ein Bestseller. Und es machte Maja Göpel zum Star. Sie selbst gibt an, sie habe die Verheimlichung des Co-Autors ändern wollen, sich aber von Jauer und vom Verlag umstimmen lassen.
- Zum Interview mit Maja Göpel: "Wir können mit Begrenzungen sehr kreativ umgehen"
Nennen wir es nicht "Göpeln"
Mit einem Plagiat hat all das gemeinsam, dass die Leserinnen und Leser nicht darüber aufgeklärt werden, wer das, was sie da lesen, eigentlich geschrieben hat. In diesem Fall ist das jedoch kein Schmuck mit fremden Federn in unlauterer Absicht. Eher umgekehrt: Ein Journalist wollte Zweifel an seiner Unabhängigkeit vermeiden, er ist nun eher der Geschädigte der Aufdeckung seiner Autorschaft. Und auch die Öffentlichkeit muss ihre Erwartungen an Expertinnen und Experten wohl zurücknehmen. Sie können nicht alles sein: charismatisch, immer auf dem Stand der neuesten Studien, kameratauglich, überzeugende Rednerinnen, mitreißende Schreiber, vielleicht sogar noch aktivistische Identifikationsfiguren für ein politisches Ziel.
Um zu beurteilen, wie wirksam dieses Leitbild im Buchgeschäft ist, wäre zu überprüfen, wie verbreitet die Arbeit mit anonymer Co-Autorschaft bei Büchern von Prominenten aus Wissenschaft und Politik ist. Für diese Praxis allerdings jetzt das Wort "Göpeln" zu prägen, wie es die "Zeit" tut und Twitter gerne aufnimmt, das legt dann doch eine allzu schlichte Erzählung von persönlicher Verfehlung nahe. Und Personalisierung haben wir ohnehin schon zu viel.
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