Eigentlich wollte sie den Friseursalon ihrer Großeltern in Danzig übernehmen, sagte Nadja Tiller einmal. Der Krieg habe diesen Plan zunichte gemacht, sie musste sich beruflich völlig neu orientieren und entschied sich für die Schauspielerei. Dabei blieb die Tiller stets natürlich und erstaunlich unverkrampft. So hatte sie nach eigenen Worten kein Verständnis dafür, dass sich die Berufskollegin Romy Schneider etwa "so wahnsinnig dagegen wehrte, dass sie mit den Sisi-Filmen so großen Erfolg" hatte.
Im Alter genoss die Schauspielerin vor allem, ausschlafen zu können, denn bei Dreharbeiten sei sie in der Regel um sechs morgens abgeholt worden, um pünktlich um neun zu Drehbeginn in Kostüm und Maske zu sein.
Berühmt durch Rolle der "Edel"-Prostituierten Rosemarie Nitribitt
Berühmt wurde sie 1958 als "Mädchen Rosemarie" im sozialkritischen Film über das kurze Leben der Frankfurter "Edel"-Prostituierten Rosemarie Nitribitt. In der Regie von Rolf Thiele brillierte sie als Wirtschaftsspionin und "Vamp". Die deutsche Regierung war damals darum bemüht, eine Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig zu verhindern, weil der Film "negative Erscheinungen" der Nachkriegszeit "verallgemeinere". Doch der Versuch der Einflussnahme blieb erfolglos. Immerhin setzte die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft durch, dass im Vorspann zu lesen war, es handle sich bei den dargestellten Missständen um "Ausnahmen".
Über ihre prägende Rolle sagte Tiller: "Früher war das ja ein Skandal. Aber mittlerweile kommt mir das ein bisschen wie ein anderes Leben vor. Sehen Sie, ich bin mehr als sechzig Jahre im Filmgewerbe. Die meiste Zeit hatte ich das Glück, arbeiten zu können. Wer kann das schon sagen. Und da waren wirklich besondere Sachen darunter." Die Neuverfilmung von "Rosemarie" mit Nina Hoss in der Hauptrolle fand die Schauspielerin insgesamt "nicht so gut", auch, wenn sie ihre Kollegin ausdrücklich lobte.
Deutsche "Sophia Loren"
Zu den weiteren Filmerfolgen der Tiller, die 1929 in Wien geboren wurde, gehörte "Lulu" an der Seite von Mario Adorf. In der Presse wurde ihre erotische Ausstrahlung damals mit der von Sophia Loren verglichen. Kein Wunder, dass sie 1967/68 auf der Freilichtbühne in Salzburg als "Buhlschaft" zu erleben war.
In den siebziger und achtziger Jahren stand Nadja Tiller in festen Engagements auf Theaterbühnen in Lübeck, Berlin und Wien. "Eigentlich habe ich dort erst erkannt, dass ich ein komisches Potenzial habe. Bis dahin war ich eher in schwierigen Rollen zu sehen. Auf Tournee habe ich auch Boulevard-Stücke gespielt und es sehr genossen", sagte sie der "WELT" in einem Interview.
Nadja Tiller wurde 93 Jahre alt. Sie starb nach Angaben ihrer in Griechenland lebenden Tochter Natascha Giller gegenüber der BILD-Zeitung in einer Seniorenresidenz in Hamburg, in der sie seit 2008 lebte - bis 2011 an der Seite ihres verstorbenen Mannes Walter Giller. Zuvor hatte das Ehepaar jahrzehntelang am Luganer See gewohnt, wo ihrer Meinung nach jedoch zu wenig "los" war. In Hamburg besuchte das Paar gern die Theater.
Letzte Jahre in Seniorenresidenz in Hamburg
Allerdings wurde das Leben mit den Jahren doch geruhsamer. Auf die Frage, ob es einen "Fixpunkt" in ihrem Leben gebe, antwortete die Schauspielerin: "Das Mittagessen. Man muss sich abmelden, wenn man nicht teilnimmt. Das ist für die Hausleitung die Garantie dafür, dass man nicht ohnmächtig im Appartement liegt. Ansonsten lebt man wie im Hotel und jeder tut das, was ihm Spaß macht. Es ist herrlich, einfach nur aus dem Fenster zu schauen und den Schiffen auf der Elbe zu folgen."
Über ihr Privatleben sagte Nadja Tiller: "Mein Rezept für eine glückliche Ehe ist, dem Partner in jeder Weise Freiheit zu lassen. Wenn Walter keine andere Frau gut gefunden hätte, wäre ich verwundert gewesen. Es ist doch ganz normal, jemanden anderen nett zu finden. Oder auch nett und ein bisschen mehr." Walter Giller galt im Nachkriegskino als "Charmeur mit Schnauze", also redegewandter Dandy und "Frauenversteher".
Über die Todesursache von Nadja Tiller ist nichts bekannt. Sie sei "im Beisein eines Pflegers friedlich eingeschlafen".
"Mit Nadja Tiller verlieren wir einen der großen Stars des deutschsprachigen Nachkriegskinos, eine Schauspiellegende, die über viele Jahrzehnte die Film- und Fernsehlandschaft prägte", so Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth: "Ob auf der Leinwand, dem Bildschirm oder der Bühne, Nadja Tiller beeindruckte mit ihrer großen Bandbreite und enormen Wandlungsfähigkeit."

Die Schauspielerin Nadja Tiller ist tot. Sie starb im Alter von 93 Jahren in Hamburg.
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