Hochoffizielle Post aus dem Vatikan kursiert am 15. Juni 1520 in Rom und erreicht bald auch Martin Luther in Deutschland: Ein Schreiben von Papst Leo X., eine "Bulle", benannt nach dem Bleisiegel darauf. Der in den Augen Roms abtrünnig gewordene Augustinermönch Luther wird zum Widerruf von 41 Sätzen aus seinen reformatorischen Schriften aufgefordert - man gibt ihm zwei Monate dafür Zeit. Luther weigert sich und rückt von seiner Kritik am Papsttum nicht ab.
"Ich bin so in Ängsten, dass ich fast nicht mehr zweifle, der Papst sei recht eigentlich der Antichrist, den die Welt erwartet. So sehr passt hierzu all sein Leben, Tun, Reden, Beschließen." Martin Luther
Päpstlicher Bann wurde nie aufgehoben
Nach Ablauf der zwei Monate verbrennt er die Bulle und wird im Januar 1521 exkommuniziert. Der historische Schlagabtausch führt zur Kirchenspaltung und belastet die Ökumene bis heute. So sehen das zumindest die Mitglieder des Altenberger Ökumenischen Gesprächskreises, die kürzlich an Papst Franziskus appellierten, den Bann gegen Luther nach 500 Jahren aufzuheben.
Dabei geht es nicht in erster Linie um Luther selbst. "Luther steht für eine Bewegung, die evangelisch-lutherische Kirchen mit 70 Millionen Mitgliedern weltweit", sagt der evangelische Theologe Hans Georg Link, der viele Jahre lang Ökumenepfarrer in Köln war. "Wenn man es genau nimmt, sind alle Nachfolger und Anhänger Luthers in die Exkommunikation und die Androhung des Banns mit einbezogen."
Doch müsse sich nicht nur der Papst des Themas annehmen, sondern auch der Lutherische Weltbund. Luther hatte nicht Papst Leo X. höchstpersönlich beleidigt, sondern das Papstamt. Auch wenn heute kein evangelischer Kirchenrepräsentant mehr den Papst für den Antichrist halte, würden die damaligen Worte einen schalen Geschmack hinterlassen, so der Theologe Hans Georg Link.
Höhe- und Tiefpunkte in der Ökumene
Immer wieder werfen alte Konflikte aus Reformationszeiten einen Schatten auf die heutige Ökumene. Nur ein Jahr nach der Erklärung der Rechtfertigungslehre - einer Sternstunde der Ökumene - folgt im Jahr 2000 mit dem päpstlichen Schreiben "Dominus Jesus" ein Tiefpunkt: Evangelische Kirchen, heißt es im Schreiben, seien keine Kirchen im eigentlichen Sinn.
"Das war eine Erklärung des Vatikan, verantwortet vom damaligen Kardinal Joseph Ratzinger und approbiert von Papst Johannes Paul II", sagt der evangelische Pfarrer Hans Georg Link. "Es hat damals einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und die ökumenische Zusammenarbeit quasi bis zum Amtsantritt von Papst Franziskus behindert."
Auch Franziskus nimmt Bann nicht zurück
Vor vier Jahren war Papst Franziskus zum Auftakt des Reformationsgedenkens zu Gast beim Lutherischen Weltbund in Schweden. Damals sprach er versöhnliche Worte über Luther, eine Rücknahme des Banns blieb allerdings aus. "Mit dem Tilgen des Banns aus dem kirchlichen Gedächtnis wäre eine positive Auseinandersetzung mit den Thesen Luthers verbunden", findet Prof. Johanna Rahner, katholische Theologin an der Universität Tübingen und Mitglied im Altenberger Ökumenischen Gesprächskreis.
"Luthers Positionen könnten nicht mehr pauschal als nicht katholisch etikettiert werden, und das hat heute vehemente Konsequenzen. Wenn wir überlegen, dass wir immer noch auf ein konsensfähiges Amtsverständnis warten, von dem letztlich die Eucharistiegemeinschaft abhängt." Für Johanna Rahner wäre die nächste Gelegenheit für eine Rücknahme des Banns der historische Jahrestag der Exkommunikation Luthers am 3. Januar 2021.