Zwei Frauen mit Gesichts-Verbänden gehen auf historischem Schwarz-Weiß-Foto durch eine bombardierte Straße, hinter ihnen sind weitere Passanten zu sehen.
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In seinem Dokumentarfilm zeigt Regisseur Sergei Loznitsa die Zerstörungen, die der Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg angerichtet hat.

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Ukrainer montiert Doku über Bombardierung deutscher Städte

Der Begriff Luftkrieg klingt nahezu harmlos, seine Folgen aber sind es nicht. Der ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa setzt sich in einem Film-Essay mit den Zerstörungen im Luftkrieg auseinander: Ihm fällt vor allem die Zivilbevölkerung zum Opfer.

Die Welt ist nicht simpel. Sie ist auch in einfach erscheinenden Zusammenhängen höchst komplex – und, heruntergebrochen auf das Individuum, verstörend oder sogar traumatisierend. Sergei Loznitsa arbeitet gerne mit solchen Gegensätzen zwischen Masse und Mensch oder Wehr und Gegenwehr. Viele seiner Filme montiert er kunstvoll aus Archivmaterial, das er aufstöbert und dann zugänglich macht. Doch Loznitsa will in "Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung" mehr.

In seinen Arbeiten geht es nicht einfach um die Aneinanderreihung historischer Bilder. Nein, der ukrainische Regisseur dramatisiert das Material, komponiert es jenseits von Chronologie und historischen Kontexten. Er ergänzt es um Geräusche und Musik, die die Bilder rhythmisieren und in der Bedeutung erweitern.

Film ohne Worte

Sergei Loznitsa zeigt in "Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung" die verheerenden Bombardierungen deutscher Städte durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Dabei macht er sich mit dem Tätervolk nicht gemein und ist von einem rechten Geschichtsrevisionismus weit entfernt. Loznitsa hinterfragt grundsätzlich ethische Positionen wie: Darf man in einem Krieg auch gegen die Zivilbevölkerung vorgehen? Er stellt Fragen – Antworten gibt er nicht.

Mit Bildern einer vermeintlich beschaulichen Welt vor dem Zweiten Weltkrieg beginnt der Film. Man sieht ein friedvolles und in seinen Ritualen scheinbar zufriedenes Deutschland. In München prosten sich Menschen im Hofbräuhaus in ausgelassener Stimmung zu, und auf dem Marienplatz verfolgen Schaulustige das Glockenspiel. Doch die Anzeichen von Gewalt sind schon vorhanden: Männer in SS-Uniformen bewegen sich zackig. An einer Fassade hängt eine Fahne mit Hakenkreuz.

Nicht lange und es regieren Krieg und Zerstörung. Bombenteppiche überdecken Landschaften, Flächenbrände flackern, Lösch- und Bergungsarbeiten finden statt. Zwischen den Häusern Tote, auf den Straßen Fliehende. Dazwischen geschnitten Bilder von der Rüstungsproduktion und danach noch brutalere Bombenangriffe. Sergei Loznitsa überhöht das bis in die Abstraktion. Darf er das? Wo liegt die Grenze zwischen stilisierter Montage und ästhetischem Selbstzweck?

Bewusstseinserweiterung mittels Film-Montage

Die Aufnahmen wirken mitunter so gegenwärtig, dass man als Zuschauer glaubt, sie könnten auch aus der Ukraine oder Syrien stammen. Sie bleiben ohne Kommentierung. Und das ist gut. Im Kino sitzt man so fasziniert wie gebannt vor der Leinwand, folgt diesem filmischen Essay über die zeitlose zerstörerische Natur des Menschen und entwickelt bald eine umfassende Empathie für all jene, die unter einem Krieg leiden. Nach gut 90 Minuten verlässt man das Dunkel des Saales mit einer veränderten Wahrnehmung.

Wir dürften die Vergangenheit nicht vergessen, sagt Losnitza, und müssten die Zukunft entsprechend gestalten. Die Aufgabe von Kunst sei es auch, die Menschen durch Bewusstwerdung vor einem solchen Horror zu schützen.

Ab 16. März im Kino! "Luftkrieg - Die Naturgeschichte der Zerstörung" - Dokumentarfilm. 109 Min. Litauen, Niederlande . Regie Sergei Loznitsa.