Zwei nackte Cartoon-Figuren stehen sich in einem blau gekachelten Bad gegenüber.
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"Die Ente bleibt draußen!" Herren im Bad. Eine Szene aus "Loriots große Trickfilmrevue".

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"Loriots große Trickfilmrevue": Klassiker oder alter Hut?

Loriot begann als Karikaturist, das Fernsehen machte ihn berühmt. Jetzt kommen die Zeichentrick-Fernsehsketche von Viktor "Vicco" von Bülow erstmals ins Kino – behutsam modifiziert. Und überraschend zeitlos.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Trickfilm-Revue – schon der Titel lässt nostalgische Gefühle aufkommen. Erinnert er doch an eine Zeit, als der Begriff Animationsfilm noch unbekannt war, weil es in diesem Genre eh nur Zeichentrick gab. Und auch die Ära der Revuen im Kino liegt in ferner Vergangenheit, als die noch Filmtheater hießen, während das Fernsehen, in dem Loriots größtenteils in den 1970ern entstandene Trickfilmsketche ursprünglich liefen, als Pantoffelkino bezeichnet wurde.

Das Material nun neu aufbereitet auf der Leinwand zu sehen, ist wie eine Reise mit einer Zeitmaschine, deren Windschutzscheibe penibel geputzt wurde: freie Sicht auf das Gestern, ohne jeden Grauschleier. Ein Team um Regisseur Peter Geyer hat sämtliche Trickfilme von Loriot noch einmal neu zeichnen lassen, identisch mit dem Original, nur die Auflösung ist nun höher, die Konturen sind schärfer, die Farben intensiver. Die Haare des in mehreren Szenen auftauchenden Fernsehreportes Rösner haben ein besonders kräftiges Senfgelb bekommen, das Lodengewand des sächselnden Hasenbrüters scheint jägergrüner denn je und die Resthaarkränze der zahlreichen, oft nackwulstigen Glatzköpfe haben nun eine ungeahnte Fluffigkeit.

Humor einer bürgerlichen Welt

Doch bei aller modernen Brillanz tauchen wir hier ein in eine erkennbar altmodische, bundesrepublikanisch-bürgerliche Welt, in der die Herren meist korrekt Krawatte oder Fliege trugen (gern auch mit dem passenden Einstecktuch dazu) und die Damen Perlenketten, sogar abends daheim vorm Fernseher.

Wobei Frauen deutlich unterrepräsentiert sind im Loriotschen Trickfilmkosmos. Außer Hausfrau Berta, die sich mit ihrem Gatten Hermann über die Zubereitung eines Frühstückseis sowie die Feierabendgestaltung zankt, ist da eigentlich nur noch Frau Direktor Bartels, die Erfinderin des Familienbenutzers: "Ich leite das führende Unternehmen der Geschenkartikelbranche und habe mir die Frage gestellt: Weiß überhaupt jemand, was er seinen Lieben auf den Gabentisch legen soll? Niemand weiß das! Da habe ich den Bartelsschen Familienoriginalbenutzer herausgebracht, gell!?"

Ansonsten sind die zahlreichen Fachleute, die Loriot in Interviews oder Vorträgen über die Schnittbohnenfrage, die politische Bedeutung der deutschen Krausbandnudel oder pneumatische Plastologie dozieren lässt, ausschließlich Männer. Was die Frage aufwirft, wie zeitgemäß diese Trickfilme eigentlich noch sind beziehungsweise ob dieser Humor womöglich nur noch historisch interessant ist.

Gegen derlei Einwände ist zum einen einzuwenden, dass sich die Gesellschaft zwar gerade in Genderfragen ein gutes Stück weiterbewegt und die uneingeschränkte Männerdominanz gerade auf dem Feld des Fernsehexpertentums erfreulicherweise als gebrochen gelten darf; der erst in jüngerer Zeit aufgenommene Begriff des Mansplainings aber – also die männliche Neigung, anderen, vor allem Frauen mal eben die Welt zu erklären – belegt, dass das Phänomen längst nicht aus der Welt ist.

Bildungsbürger, die sich aufplustern

Mansplaining also – nichts Anderes als das betreiben all die Doktoren und Professoren Schleppenbach, Lindemann oder Meckelreiter, die den Bildschirm als Bühne nutzen, um ihre Egos spazieren zu führen.

Zeitlos zutreffend zudem ist Loriots Beobachtung entsprechender Aufplusterungstaktiken: Die Überheblichkeit der selbsternannten Koryphäen, die sich in wichtigtuerischem Fachsprachengeraune ebenso zeigt wie in ihrer Knollenhochnäsigkeit. Vom Tierpädagogen und seinem vermeintlich sprechenden Hund bis zum Kunstpfeifer – immer wieder führt Loriot vor, wie sich das Banale zum Bedeutenden aufpumpt, um ihm dann den Stöpsel zu ziehen, woraufhin kümmerlich pfeifend nur heiße Luft entweicht. 

Dieses wiederkehrende Muster wird in der Zusammenschau der gesammelten Trickfilmwerke nun besonders gut sichtbar.

Witziger als "Szenen einer Ehe"

Einen eigenen Block bilden die Ehedramolette, die den Szenen einer Ehe bei Ingmar Bergmann oder August Strindberg an Tiefsinn um nichts nachstehen, aber ihnen den lindernden Humor voraushaben: "Ich stehe den ganzen Tag in der Küche, mache die Wäsche, bringe Deine Sachen in Ordnung, mache die Wohnung gemütlich, ärgere mich mit den Kindern herum – und Du sagst, mit meinem Gefühl stimmt was nicht?!"

Überholte Geschlechterrollen natürlich auch hier. Die dahinter sichtbar werdenden Mechanismen jedoch, die binnen kürzester Zeit von Lappalien zur Eskalation führen, sind so messerscharf beobachtet wie überzeitlich.

Zeitgemäß adaptiert

Dass die Animation der Zeichentrickfiguren technisch extrem simpel ist, befördert diesen Eindruck eher, als dass es ihn schwächen würde. Oft bewegen sich nur die Münder der sprechenden Figuren, während der restliche Körper starr bleibt oder sich nur eine Hand bewegt. Derart isoliert ziehen die Gesten umso mehr Aufmerksamkeit auf sich. Jedes Fingerklopfen, jedes Lippenschürzen wird so zur vielsagenden körpersprachlichen Entäußerung, die das gesprochene Wort konterkariert.

So gesehen hebt der frische Farbabstrich, den Peter Geyer Loriots Cartoons in dieser Revue verpasst hat, die Filme nun auch optisch auf das brillante Niveau ihres Inhalts.

"Loriots grosse Trickfilmrevue" (Deutschland 2023, 79 Min. Regie: Peter Geyer, Vicco von Bülow) ist ab 20. April im Kino zu sehen.

Zeichentrick-Sketche von Loriot kommen nun gesammelt ins Kino.
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Zeichentrick-Sketche von Loriot kommen nun gesammelt ins Kino.

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