Karl Gräf ist Bäcker in der siebten Generation in Seukendorf bei Fürth. Seit über 250 Jahren wird in seiner Backstube gebacken. Auch er produziert mehr als er verkauft. Obwohl er versucht, den Überschuss möglichst klein zu halten: "Wir haben Rückläufe von 15 bis 20 Prozent, was sehr wenig ist. Aber es ist schwierig geworden zu kalkulieren, weil die Ansprüche der Kunden sehr hoch geworden sind. Der Kunde verlangt, dass unsere ganze Produktpalette bis zum Ladenschluss verfügbar ist." Bäckermeister Karl Gräf erinnert sich an frühere Zeiten: "Früher gab es zwei Brotsorten und ein paar Semmeln. Das Angebot hat sich natürlich mit den Ansprüchen verändert."
Was passiert mit übrigen Brot nach Ladenschluss?
Nach Ladenschluss gibt es meist drei bis vier Wege des übrig gebliebenen Brotes, erklärt Bäckermeister Karl Gräf. Bei ihm in den Filialen kommen nach Ladenschluss Mitarbeitende der Fürther Tafel oder Lebensmittelretter, einen Teil bekommt ein befreundeter Bauer für seine Hühner, Teigreste oder übrige Backwaren landen in einem großen Container, der einmal im Monat in die benachbarte Biogasanlage gefahren wird. So sei es in allen Bäckereien üblich, sagt auch der Vorsitzende der Bäckerinnung, Heinrich Traublinger.
Bäckermeister Karl Gräf versucht, die Retouren so klein wie möglich zu halten. Und trotzdem landet ein kleiner Teil in der Biogasanlage.
Aufklärungsarbeit bei den Kunden
"Für mich persönlich ist es sehr schwer zu ertragen, weil es Lebensmittel sind, die weggeworfen werden. Es verhungern auf der Welt so viele Menschen, und wir werfen Lebensmittel einfach weg," bedauert Karl Gräf. Er versucht, seine Retouren zu reduzieren, und vor allem seine Kunden über seine Verkäuferinnen zu sensibilisieren. Sie erklären den Kunden immer wieder, warum kurz vor Ladenschluss nicht die ganze Produktpalette verfügbar sein kann. "Die Kunden reagieren mittlerweile gut und verständnisvoll. Wenn man das öfter begründet, auch damit, dass eben viel zu viel weggeworfen wird, und dass wir das als Bäckerei nicht wollen, dann stoße ich auf großes Verständnis," so die Erfahrung von Bäckerei-Verkäuferin Manuela Hajek.
Problem: Bäckereien im Discounter
Viel mehr Überschuss produzieren Bäckereien für die Supermärkte und Discounter. Denn die haben die Auflage, dass bis kurz vor 20 Uhr noch ein Großteil der Ware da ist. Damit die Kunden zufrieden sind. Darüber reden oder Zahlen nennen will, trotz telefonischer und schriftlicher Nachfragen, allerdings niemand.
Die Backwaren, die bei Karl Gräf, nach Lieferung für die Tafel, immer noch übrig bleiben, kommen in die Abfallbiogasanlage ins benachbarte Ammerndorf. Einmal im Monat wird sein Container mit Teig- und Backresten abgeholt. Die Biogasanlage zählt sich zu "den Guten" der Branche, sagt Geschäftsführer Johann Peter. "Denn wir verarbeiten hier alles, was einmal Lebensmittel war oder sein sollte, also eine reine Abfallverwertung. Es wird nicht extra angebaut, wie zum Beispiel Mais."
Auch ihm tue es im Herzen weh, wenn er die Lebensmittel sieht, die angeliefert und bei ihm entsorgt werden. Immerhin entstehe daraus noch Dünger. Aber die Konsumhaltung mache ihm zu schaffen.
Tafeln und "Gutes von gestern"
Bei vielen Bäckereien passiert aber auch viel Sinnvolles. So haben viele Bäckereibetriebe in Bayern einen Laden, in dem es "Gutes vom Vortag" gibt, sie geben Rabatte in der letzten halben Stunde vor Ladenschluss, oder sie beliefern Tafeln und sind bei "To good to go" aktiv, einer App, die Unternehmen und Restaurants, bei denen Lebensmittel übrig bleiben, mit hungrigen Menschen zusammenbringt. Bäcker Karl Gräf ist da ebenfalls dabei. "Mich beschäftigt es ja selbst, wie viel weggeworfen wird," erzählt der Bäckermeister. Es sei eben schwierig, den Verkauf genau richtig zu kalkulieren.
Mehr zum Thema "Brot" in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 29. März 2023 um 19 Uhr im BR Fernsehen und in der BR Mediathek.