Die Fotografin Juliane Haerendel dokumentiert das Leben hinter Gefängnismauern.
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Die Fotografin Juliane Haerendel dokumentiert das Leben hinter Gefängnismauern.

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Leben ohne Freiheit? Fotografin hält Welt hinter Gittern fest

Durch eine Brieffreundschaft mit einem Inhaftierten erfährt die Fotografin Juliane Haerendel mehr von der Welt hinter Gittern. Und begann, sie zu fotografieren: Wie erleben die Gefangenen den Verlust von Freiheit?

Über dieses Thema berichtet: STATIONEN am .

Wenn sich die Gefängnistüren hinter einem schließen, dann fühlt sich die Fotografin Juliane Haerendel wie eine Inhaftierte. Dieses Gefühl, nicht mehr raus zu können, dann nervös zu werden, das sei etwas "Menscheneigenes", sagt die 23-Jährige.

Das ständige Auf- und Zusperren der Türen, dass sie nie alleine sei und immer beobachtet werde, das habe Angst in ihr ausgelöst. Und mit der Zeit wollte Juliane Haerendel mehr über die Welt dahinter erfahren und vor allem wollte sie wissen, wie die Inhaftierten den Verlust der Freiheit erleben.

Nach der Entlassung: Hilfe dringend nötig

Aber so schwer es ist, den Verlust der Freiheit zu verarbeiten, so schwer ist es auch, wieder den Weg zurück in die Freiheit zu finden. Der katholische Priester Hans Lyer war ab Mitte der 90er Jahre bis 2021 Gefängnisseelsorger im mittelfränkischen Ebrach und begleitet Häftlinge auch nach ihrer Entlassung.

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Hans Lyer, ehemaliger Gefängnispfarrer in der JVA Ebrach

So wie der Ex-Häftling, den er gerade in einer Münchner Kirche trifft und seit über 20 Jahren kennt. Wegen Drogen kam er mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt. Doch das Leben in Freiheit ist ebenfalls fordernd. Seit kurzem ist der Mann entlassen und lebt jetzt mit drei anderen Männern in einem Zimmer: "Also ich bin jetzt auch in einer Vier-Mann-Zelle. Genauso wie ich vor drei Wochen auf Zelle war, bin ich jetzt auch wieder auf einer Zelle. Also eigentlich hat sich für mich gerade nichts geändert."

Sein Leben fängt von null an nach der Entlassung. Vormittags geht er in eine Methadonambulanz und bekommt die Ersatzdroge Methadon. Sonst hat sein Tag keine Struktur. Seine Familie hat sich von ihm distanziert.

Ersatzfreiheitsstrafe: Zu arm für die Geldstrafe

Die Fotografin Juliane Haerendel hat sich mit dem deutschen Justizsystem auseinandergesetzt. Auch kritisch: So kommen derzeit pro Jahr um die 50.000 Gefangene aus finanziellen Gründen in deutschen Gefängnisse. "Was mich schockiert hat, ist, wie viele Leute in Haft sind, die eigentlich eine Geldstrafe nur leisten müssen, aber sie nicht zahlen können, weil sie eben nicht das Geld dafür haben", sagt sie. Und es sei die Armut, für die Menschen eingesperrt werden, obwohl der Richter eigentlich festgestellt hat, dass ein Verbrechen nicht schlimm genug ist, um dafür eingesperrt zu werden. Trotzdem landen Menschen dann im Gefängnis.

Im juristischen Fachbegriff heißen solche Aufenthalte im Gefängnis "Ersatzfreiheitsstrafe". Im Juni 2022 waren etwas mehr als 4.000 Menschen in Haft, weil sie ihre Geldstrafe nicht bezahlen konnten - oder wollten, diese Fälle gibt es auch.

Rückfall: Viele entlassene Häftlinge schaffen den Sprung ins Leben nicht

Aber rund ein Drittel der entlassenen Häftlinge, und das erschreckt die Politikwissenschaftsstudentin Juliane Haerendel, erlebt einen Rückfall, kommen also erneut in Haft.

Mit ihrer Ausstellung "Eingesperrt" im Münchner KÖSK hinterfragt Juliane Haerendel die traditionelle Form der Freiheitsentziehung. Sie wünscht sich Alternativen, etwa eine stärkere Armutsbekämpfung und mehr Resozialisierungsangebote. Ihre Bilder sind noch bis zum 13. Mai zu sehen.

Mehr zum Thema "Freiheit" in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 10. Mai 2023 um 19 Uhr im BR Fernsehen und in der BR Mediathek.