Spektakulär: der feuerspuckende Drache beim Further Drachenstich.
Bildrechte: Drachenstich-Festpiel Furth im Wald

Spektakulär: der feuerspuckende Drache bei den Further Drachenstich-Festspielen.

    Kulturerbe: Sieg über das Böse beim Further Drachenstich

    Früher gehörte der Drachenstich in Furth im Wald zur Fronleichnamsprozession – im 18. und 19. Jahrhundert hat die Kirche das religiöse Spektakel verboten. Die Further protestierten vehement. Heute ist das Schauspiel ein ganz und gar weltliches Fest.

    Es ist eine Mischung aus Geschichte und Mythos, das älteste Volksschauspiel Deutschlands, das seit mehr als 500 Jahren in Furth im Wald aufgeführt wird. 1.500 Frauen, Männer und Kinder sind an dem Spektakel um den Kampf des Guten gegen das Böse beteiligt. Seit 2018 ist das Schauspiel immaterielles Kulturerbe der UNESCO und eine Art Vermächtnis für den Ort Furth im Wald im Landkreis Cham.

    Hauptdarsteller Drache: Erst Freund, dann Feind des Menschen

    Hauptakteur des Schauspiels: der Drache Tradinno. Sandro Bauer hat als Ingenieur an der mehrjährigen Entwicklung des Drachens mitgearbeitet. Tradinno, den die Further liebevoll Fanny nennen, ist der größte Schreitroboter der Welt, kann brüllen, zwinkern, Feuer speien und sogar bluten - er wiegt 11 Tonnen und steht im Guinnessbuch der Rekorde. Seit zehn Jahren ist Bauer Bürgermeister in Furth im Wald und erklärt die spannende Rolle des imposanten Monstrums: "Am Anfang des Festspiels ist er der Freund der Menschen. Er will sie beschützen, und ihnen helfen. Er schenkt ihnen sogar das Feuer, das sie in der Urzeit noch nicht hatten. Aber dieses Feuer führt zu Neid, Missgunst und Krieg unter den Menschen. Und als der Drache das erkennt, dass der Mensch zu sich selber böse ist, wendet er sich gegen den Menschen und will ihn vernichten. Er wird dann zum bösen Drachen."

    Die Rolle des Drachens ändert sich nicht nur im Lauf des Spiels, sondern auch im Lauf der Zeit. So stammt der Vorgängerdrache aus der Nachkriegszeit, aus der Zeit des 'Eisernen Vorhangs'. "Und der war Symbol für die Entbehrungen, die diese Stadt, entlang dieser Grenze des 'Eisernen Vorhangs' immer wieder erleben musste."

    In diesem Jahr sei der Drache Sinnbild für extremistische oder fanatische Religionsausübungen, die zu Terrorismus und Terroranschlägen führen, so Bürgermeister Bauer.

    Fortführung einer Tradition

    Simon Fischer ist der Ritter im diesjährigen Spiel. Er schlüpft zum zweiten Mal in die Rolle, schon vor fünf Jahren war er im Einsatz. Er ist eingesprungen, weil sich in diesem Jahr sonst kein Ritterdarsteller gefunden hat. Reiten konnte Simon also schon, denn das ist eine der Grundvoraussetzungen für die Rolle. "Im 18. Jahrhundert haben sich 5000 Menschen im Furth in Wald, wir haben jetzt 9000 Einwohner, bereit erklärt, den Drachenstich zu machen, obwohl es von der Kirche und vom Staat verboten war. Die haben dagegen rebelliert. Warum sollen wir damit aufhören? Das macht uns einfach aus."

    Einmal die Ritterin zu spielen, das personifizierte Gute im Theaterstück, das ist ein Kindheitstraum von Stefanie Decker. Schon als kleines Mädchen beobachtete sie das Spektakel vom Fenster ihrer Großmutter aus. Die Rolle der Ritterin ist für sie eine Ehre und Verantwortung zugleich, ihr Bestes zu geben und die jahrhundertelange Tradition lebendig zu halten. Schon ihre Mutter und ihre Tante waren Ritterin.

    Ursprung bei der Fronleichnamsprozession

    Der Drachenstich geht auf kleine szenische Einlagen in den Fronleichnamsprozessionen zurück, wie sie in ganz Bayern in früheren Jahrhunderten üblich waren. In Furth im Wald wurde das Leben des Heiligen Georgs gezeigt, der gegen den Drachen, gegen das Böse kämpfte. Doch weil die Andacht durch das Spiel gestört wurde, erteilte das bischöfliche Konsistorium in Regensburg an den Further Pfarrer den Befehl am 6. März 1754, "dass es das Drachenstechen auf keinerlei Weise mehr gestatte."

    Das heutige Drachenspiel ist in seiner Handlung ein rein weltliches Spiel, das sich erst im Höhepunkt wieder der alten Georgslegende nähert. Für die Further Bevölkerung ist die Zeit des Drachenstichs die fünfte Jahreszeit. Premiere des diesjährigen Further Drachenstichs ist am 5. August.

    Mehr zum Thema "Vom Umgang mit dem Erbe" in der Sendung STATIONEN, am Mittwoch, 29. Juni 2022 um 19 Uhr und in der BR-Mediathek.

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