Wenn sich Hollywood, wie in Stanley Kubricks Filmklassiker "2001: Odyssee im Weltraum" künstliche Intelligenz vorstellt, dann naht in der Regel das Ende des Menschen. In Hollywood selbst begründet der Einzug von Künstlicher Intelligenz dagegen den Anfang einer ganz neuen Ära der Filmproduktion, die Hollywood, wie wir es kennen, erschüttern dürfte.
Motiviert vom datengestützten Erfolg der Streaminggiganten Netflix und Amazon setzen inzwischen auch die großen Hollywood Studios auf die Macht der Maschinen. Im Schein der Dollarzeichen sieht das Zusammenleben mit Künstlichen Intelligenzen plötzlich gar nicht mehr so düster aus. Schon jetzt beeinflussen lernfähige Maschinen, wie Filme produziert, beworben und vermarktet werden. Computer machen möglich, woran Menschen bisher scheiterten: Künstliche Intelligenz verjüngt Schauspieler um Jahrzehnte und erweckt andere wieder zum Leben – wie 2016 Carrie Fisher, die Darstellerin von Prinzessin Leia für den Star Wars Film "Rogue One".
Daten zur besseren Vermarktung
Ihre Hoffnung setzen Hollywoods Filmstudios in Sachen Big Data zurzeit aber weniger auf solche teuren computergenerierten Visual Effects, sondern vor allem auf ihren Wert für eine bessere Vermarktung von Filmen. Und sie erweisen sich bei näherem Hinsehen als wahre Datenkraken: Die Studios wissen, was für Zuschauer für welche Filme online Tickets kaufen, sie erfassen, wer wie welche Medien nutzt und wann. Und dem "warum" kommen sie mit aufwändigen Datenanalysen auf die Spur. Dabei helfen soll das Entertainment Technology Center – ein Think Tank an der University of Southern California, der von allen großen Hollywood-Studios aber auch von Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley finanziert wird.
Der Datenwissenschaftler Yves Bergquist forscht hier an einer Künstlichen Intelligenz, die dank künstlicher neuronaler Netze in der Lage sein soll, den Erfolg eines Films vorherzusagen. Diese neuronalen Netzwerke sollen es der KI erlauben, den Zusammenhang von verschiedenen Elementen einer filmischen Erzählung zu erkennen und ihre Wirkung auf das Publikum sichtbar und vergleichbar zu machen. Dafür zieht das Team von Bergquist neben Informationen zur Gestaltung des Films, der Tonalität, der Musik, Licht und Kameraeinstellungen auch Daten aus den Sozialen Medien heran. "Wir nutzen die Sozialen Medien und Publikumskonversationen," erklärt Bergquist, "und versuchen, daraus die Stimmung und den kognitiven Zustand abzuleiten, um wirklich verstehen zu können, welche Eigenschaften von Medieninhalten wie und bei welchem Teil des Publikums Anklang gefunden hat."
Erst dann – so das Versprechen der Datenwissenschaftler – kann ein Film erfolgreich bei den Menschen beworben werden, die der Film auch tatsächlich interessieren könnte. Dieser mikroskopische Blick auf das Publikum ist neu in der Filmbranche, die jahrzehntelang mit den gleichen und oft fehlerhaften Annahmen gearbeitet hat und sich nur langsam traut, diese zu überdenken. Frauen und People of Color in der Hauptrolle galten beispielsweise lange als Kassengift, bis im vergangenen Jahr "Black Panther", "Wonder Woman" und "Crazy Rich Asians" rekordverdächtig viele Menschen ins Kino holten.
Originellere Filme dank Künstlicher Intelligenz?
In den Marketingabteilungen sorgen die Datenanalysen so immer wieder für Überraschungen: Als der erste Trailer zum Superheldenfilm "Aquaman" veröffentlicht wurde, belegten die Daten, dass der Trailer entgegen der Erwartungen ausgerechnet beim weiblichen Publikum besonders gut ankam – woraufhin das Produktionsstudio Warner Bros. die Marketingstrategie kurzfristig änderte, um auch männliche Fans mit ins Boot zu holen. Der Film wurde ein weltweiter Hit.
In Zukunft soll mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz schon vor und während einer Produktion evaluiert werden, ob und in welcher Zielgruppe ein Film erfolgreich werden könnte. Noch ein Instrument also, um massentaugliche, austauschbare und perfekt kalkulierte Blockbusterware zu fertigen? Im Gegenteil, verspricht Yves Bergquist: "Es wird Medienmachern und Kreativen ermöglichen originellere, mutigere und innovativere Geschichten zu erzählen, von denen sie wissen, dass diese einen Effekt auf ihr Publikum haben werden."
Mut bedeutet dann nicht mehr an der Kasse zu scheitern, weil ein Film zu sperrig oder zu schlau ist. Mut beweisen die Filmemacherinnen und Filmemacher, die Erzählungen liefern, die bisher nicht als lohnend galten – von denen nun aber belegt ist, dass sie ein Publikum haben. Bergquist plädiert zwar dafür, Kunst niemals den Daten zu unterwerfen, doch ist fraglich, ob Hollywood ihr auch weiterhin Raum geben wird, wenn die Maschinen mit belegbaren Erfolgsversprechen locken.
Bessere Argumente gegenüber den Studios
Andererseits: Auch heute schon – ohne den Einfluss der Maschinen – versuchen viele Produzenten mit einförmigen Filmen dem Risiko, Neues zu wagen, zu entgehen. "Wir glauben, dass KI und Machine Learning eine ganze Menge Kreativität freisetzen könnte in Hollywood – wenn sie richtig eingesetzt wird," so Yves Bergquist. "Indem sie es ermöglichen, Geschichten zu erzählen, die heute aus finanzieller Sicht als nicht umsetzbar gelten, aber tatsächlich einen großen Wert schaffen können für die Zuschauer und für denjenigen, der die Filme finanziert."
Maschinenbasierte Erfolgsvorhersagen und Datenanalysen sollen den Filmemachern und Filmemacherinnen nicht vorschreiben, was zu tun ist, sondern ihnen strukturiert und belegbar Möglichkeiten aufzeigen – wo es sinnvoll sein könnte, dem Kanon zu folgen, und wo es sich lohnt, davon abzuweichen und neue Ideen einzubringen. Ob das nicht die Gefahr birgt Innovation nur im – maschinell – vorhersehbaren Maße zu wagen, die Frage bleibt offen. Die Hoffnung ist eine andere: Die Ergebnisse der Analysen könnten Kreativen helfen, innovative Geschichten auch an die traditionell konservativen Studiobosse und Produzenten zu verkaufen.
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