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Okwui Enwezor

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Kompromisse waren seine Sache nicht: Okwui Enwezor geht

Er brachte die Weltkunst nach München ins "Haus der Kunst": Der gebürtige Nigerianer Okwui Enwezor ist international vernetzt wie kaum ein zweiter Kunst-Manager. Seine Krankheit zwang ihn nun zum Rücktritt. Viele Probleme bleiben. Von Stefan Mekiska.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Mit Okwui Enwezor verliert das Haus der Kunst München einen künstlerischen Leiter, der dem Kunst-Tempel ohne eigene Sammlung in den vergangenen sieben Jahren internationalen Ruhm beschert hat. Ausstellungen mit Weltstars der zeitgenössischen Kunst wie Louise Bourgeois, Georg Baselitz, Matthew Barney oder Kiki Smith bildeten dabei sozusagen das ökonomische Rückgrat – weil solche "großen“ Namen eben mehr Menschen ins Museum treiben als zum Beispiel 2015 die damals noch völlig unbekannte Linette Yiadom-Boakye.

Er war drei Jahre voraus

Doch genau diese Malerin wird nächste Woche mit ihren Porträts schwarzer Menschen einer der höchstbezahlten neuen Stars auf der Kunstmesse Art Basel sein, was zeigt, dass sich der in New York zum Kurator gereifte gebürtige Nigerianer Okwui Enwezor wirklich sehr gut zurechtfand auf dem internationalen Gebiet der modernsten Kunst – und dabei manchmal dem großen Publikum schlicht drei Jahre voraus war. Doch Kompromisse in Richtung Blockbuster-Ausstellung waren von Enwezor nie zu erwarten.

Wir riskieren, banal zu werden, wenn wir alles tun, um Leute ins Museum zu bringen. Wir können Elefanten in die Mitte der Halle stellen. Und sofort haben wir ein Publikum, das dieses Spektakel anschauen will. Mit unserer Arbeit wollen wir aber zeigen, dass das Obskure, das Gewöhnliche und Schwierige Seit an Seit mit dem Populären existieren kann. - Okwui Enwezor

ECM Musiklabel für Intellektuelle

Enwezor öffnete seit 2011 die Türen des Hauses der Kunst entschieden in Richtung Weltkunst – wie er das auch schon 2001 mit seiner Afrika-Ausstellung „The Short Century“ und mit der Documenta 2002 in Kassel gemacht hatte. Die Zeit der großen historischen Kunstausstellungen ist endgültig vorbei. „Rembrandt“ oder „Picasso“ sind für ein Ausstellungshaus ohne eigene Sammlung wie das Haus der Kunst nicht mehr finanzierbar. Also blieb die Zeitgenossenschaft ohne wirkliche Alternative. Enwezor stellte vielen Münchnerinnen und Münchner das Jazzmusik-Label ECM programmatisch in einer ersten Ausstellung vor: Ein Musikhaus, das in Intellektuellenkreisen New Yorks bekannter ist als in der Heimat.

Surfer-Welle hatte mehr Besucher

Er erinnerte an die Apartheid in Südafrika, und ließ im gleichen Jahr den Südafrikaner Kendell Geers buchstäblich lebensgefährliche Installationen aus Glasscherben und Metallspitzen aufbauen: Betreten auf eigene Gefahr. Das führte beizeiten dazu, dass vor der Surfer-Welle im Eisbach neben dem Haus der Kunst sich an einem sonnigen Nachmittag mehr Besucher einfanden als zu mancher Ausstellung.

Es ist sehr wichtig, zu den Wurzeln des Museums zurück zu kehren und nicht das Museum aufzugeben. Auch wenn sich das Konzept des Museums als Ort der Bewahrung, Forschung und der Debatte konservativ und traditionell anhört. Selbst im 21. Jahrhundert kann das Museum ein radikales Konzept sein, wenn wir unterscheiden zwischen einem Haus für den Markt und einem Museum, das den Werten der Kultur, der Kunst und der Intelliogenz verpflichtet ist. - Okwui Enwezor

Nachfolge wird nicht leicht

Seit über zwei Jahren ist Okwui Enwezor schwer krank. Deswegen gerieten ihm zeitweise die Dinge im Haus der Kunst auch organisatorisch aus dem Griff: Es gab einen Oberaufseher, der auch bei der Scientology-Sekte war, es gab Skandale im geschäftlichen Bereich. Deswegen wurde 2017 ein neuer kaufmännischer Direktor berufen. Enwezor sollte sich ganz auf die Kunst konzentrieren können. Daraus wird jetzt nichts mehr – aus gesundheitlichen Gründen. Sein Stellvertreter Ulrich Wilmes übernimmt vorerst die künstlerischen Geschäfte. Und die Headhunter im Bayerischen Kunstministerium machen sich auf die Suche nach einer neuen Direktorin, einem neuen Direktor. Es wird nicht leicht, eine international so profilierte Persönlichkeit wie Enwezor zu ersetzen.