Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow präsentiert den Film "Tchaikovsky's Wife" bei den 75. Internationalen Filmfestspielen in Cannes.
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Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow präsentiert den Film "Tchaikovsky's Wife" bei den 75. Internationalen Filmfestspielen in Cannes.

    Kirill Serebrennikow: Putins Propaganda "hasst die Kunst"

    Der russische Regisseur Serebrennikow sieht die Kunst als Ausweg aus Ängsten und Stress. "Wir haben immer Angst und fühlen uns unterdrückt", sagte er in einem Interview. Die Propaganda des russischen Präsidenten aber sei "das Gegenteil von Kunst".

    Freiheit sei einer der wichtigsten Bestandteile einer jeden Kultur, sagt der russischer Film- und Theaterregisseur Kirill Serebrennikow (52) in einem Interview. Die Kunst sei ein Ausweg aus Ängsten und Stress. "Wir haben immer Angst und fühlen uns unterdrückt. Es ist nicht gut, so zu leben", sagte er der "Welt am Sonntag". Derzeit sorgten sich viele Menschen wegen des Kriegs in der Ukraine oder spürten Angst vor neuen Krankheiten wie den Affenpocken.

    "Sie hassen alles, was mit ihnen um die Seele der Menschen konkurriert"

    Freiheit sei einer der wichtigsten Bestandteile einer jeden Kultur, betonte Serebrennikow. "Ein Kunstwerk kann unter furchtbaren Umständen geschaffen werden. Aber es wird immer mit dem Wunsch nach Freiheit verbunden sein." Es sei ein Privileg, keine Angst zu haben: Die Lage ändere sich, "wenn Ihnen Bomben auf den Kopf fallen oder Sie politischem Druck ausgesetzt sind".

    "Das Gegenteil von Kunst" aber sei die Propaganda des russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Sie hasst die Kunst. Denn Kunst regt die Leute zum Denken an." Propaganda bedeute Massenaufläufe und Befehle, Kunst und Kultur stünden dagegen für den "persönlichen Pfad des Individuums", so der Regisseur. "Deshalb hassen diese Leute das Filmemachen, sie hassen das Theater, sie hassen alles, was mit ihnen um die Seele der Menschen konkurriert."

    Kirill Serebrennikow in Cannes

    Bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai diesen Jahre machte der Regisseur im dortigen Wettbewerb Schlagzeilen mit seinem Film "Tchaikovsky's Wife" über die Homosexualität des russischen Komponisten Peter Tschaikowsky, dargestellt hauptsächlich aus der Perspektive von dessen leidgeprüfter Ehefrau Antonina Miliukova, die sich von der Hochzeit Wohlstand und Ansehen erhoffte. In Russland gilt Tschaikowskys sexuelle Veranlagung als unerwünschtes Thema, gilt der Tondichter doch wie Puschkin zu den viel genannten "Helden" der russischen Kultur. Zuletzt war der Film auch auf dem Filmfest München zu sehen.

    Serebrennikow war in Russland wegen angeblicher Veruntreuung staatlicher Mittel zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden und stand lange unter Hausarrest und Ausreiseverbot. Völlig überraschend hatte der russische Künstler dann eine Reiseerlaubnis bekommen und konnte ins Ausland gehen.

    Serebrennikow: "Russland hat wieder angefangen, Menschen zu verzehren"

    Auch zuvor hatte sich Kirill Serebrennikow immer wieder kritisch zum Verhältnis des russischen Staates zur Kultur geäußert. Sie sei in Russland immer nur trotz und gegen den Staat möglich, so Serebrennikow: "Manchmal mit dem Geld des Staates, aber immerhin – nicht in seinem Namen und nicht für ihn. Staat und Politik in Russland töten und trennen sich. Familien werden zerstört. Sie brechen Leben. Kultur rettet und sammelt das noch Menschliche im Menschen. Es gab viele Staatsformen in Russland, und alle hatten einen kannibalischen Charakter. Diese seltenen Jahre, in denen die Behörden in Russland keine Menschen aßen, werden Tauwetter genannt. Die Regierung hat sich gerade ausgeruht. Wieder angefangen, Menschen zu verzehren."

    Mit Material von dpa

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