Küssende Männer der Österreichischen Armee
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Mario Falak and Charles Eismayer auf dem Roten Teppich bei den Filmfestspielen in Venedig.

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Kinostart zum Pride Month: "Eismayer", Coming-out in der Armee

Vizeleutnant Charles Eismayer, der härteste Ausbilder beim österreichischen Bundesheer, verliebt sich in einen Rekruten. Die homosexuelle Liebesgeschichte, die der Film "Eismayer" erzählt, basiert auf der wahren Geschichte eines Coming-outs.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Antreten bei Vizeleutnant Eismayer, dem beim österreichischen Bundesheer gefürchteten und berüchtigten Schleifer Charles Eismayer, brilliant verkörpert von Gerhard Liebmann: rotes Barett auf kahlgeschorenem Schädel, der Blick kalt und hart, die Stimme schneidend und brutal. Ein sadistischer Ausbilder wie bei "Full Metal Jacket". Und vor ihm die Truppe Rekruten, ein Haufen junger Burschen unter denen wilde Stories über ihn kursieren: Er sei ein lebender Toter, ein Psychopath, einer, der schon an vielen Krebsarten erkrankt sei, doch "der einfach nicht stirbt"!  Auf einen unter ihnen hat es Eismayer besonders abgesehen, Mario Falak, gespielt von dem aus Bosnien stammenden Luka Dimić, ein fescher Typ mit frechem Blick, der aussieht wie der junge Colin Farell. Und einer ist, der widerspricht.

Liebe im toxisch homophoben Militärumfeld

Und so sind die Positionen fix: Hier der seine Homosexualität negierende Familienvater Eismayer, dort der offensiv schwule junge Mann, der unbedingt beim Militär reüssieren will. Wie zwei Magnetpole stoßen die beiden sich ab und ziehen sich an. Es entspinnt sich eine unsichtbare Beziehungsdynamik im toxisch homophoben und rassistischen Militärumfeld, in dem man entweder als "echter Mann" gilt oder als "schwule Sau" verunglimpft wird.

Regisseur David Wagner gelingt es dabei aber durch kluge Bildgestaltung sowie durch die hervorragenden Darsteller aus seiner Grundkonstellation weit mehr zu machen als ein simples "Becoming gay"-Drama – mit dem militärischen Schauplatz schwelender Homoerotik und aufgeladener Körperlichkeit. Wer ist man, wer will man sein und warum ? Und wie verlogen ist das soziale Umfeld? Als Eismayer den von anderen Rekruten homophob beschimpften Falak noch zusätzlich schikaniert, wird er zu den Vorgesetzten zitiert.

Subtile Inszenierung

Dramaturgisch klar gliedert David Wagner in seinem ersten Spielfilm diese queere Liebesgeschichte, über die er viel beim Bundesheer recherchiert hat. Dem Film liegen auch lange Gespräche mit dem wirklichen Charles Eismayer und seinem Partner zugrunde, dem er 2014 in Gala-Uniform auf dem Kasernenhof das Ja-Wort gab. Krankheit, Zuneigung, und das Zugeständnis einer Lebensliebe werden hier stimmig und zugleich subtil inszeniert.

Konsequent vermeidet "Eismayer" Klischees. Er spiegelt kunstvoll gesellschaftliche Realität, erzählt von Traumata und Kontinuität, von unterdrückten Emotionen, von Aufbruch und Träumen. Am Ende bricht Vizeleutnant Eismayer auf und bricht mit seiner Lebenslüge. Wenn sich dann beim Manöver zwei Männer umarmen und küssen und dabei die Tarnfarbe im Gesicht des einen auf dem Gesicht des anderen verschmiert, wird sehr viel mehr sichtbar als bloße Camouflage. Ein gelungenes Kino-Debüt, das gesehen werden sollte.

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