Für ihren Roman "Dunkelnacht" wird die 72-jährige Kirsten Boie am Donnerstag mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
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Für ihren Roman "Dunkelnacht" wird die 72-jährige Kirsten Boie am Donnerstag mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.

    Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis für Kirsten Boie

    Die Hamburger Autorin Kirsten Boie wird am Donnerstag mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr wurde die Nicht-Verleihung scharf kritisiert - auch von Boie.

    Berühmt ist sie vor allem wegen "Ritter Trenk", "Skogland" oder der "Möwenweg"-Reihe. Auch düstere Themen packt sie an, wie im Roman "Dunkelnacht". Dafür wird die Hamburger Schriftstellerin Kirsten Boie nun mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.

    Kirsten Boie als "deutsche Astrid Lindgren"

    Manche nennen sie die "deutsche Astrid Lindgren". Tatsächlich schätzt Kirsten Boie die heile Welt ihrer berühmten schwedischen Kollegin, doch sie packt auch schwierige und schmerzliche Themen an, so wie im 2021 veröffentlichten Roman "Dunkelnacht". Für ihn wird die 72-Jährige am kommenden Donnerstag in Würzburg mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2022 der Deutschen Bischofskonferenz geehrt.

    Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis wird seit 1979 von der Deutschen Bischofskonferenz verliehen und ist mit 5.000 Euro dotiert. "Ausgezeichnet werden deutschsprachige Bücher, die beispielhaft und altersgemäß religiöse Erfahrungen vermitteln, Glaubenswissen erschließen und christliche Lebenshaltungen verdeutlichen", heißt es von der Deutschen Bischofskonferenz. Seit 1997 wird den Preisträgern eine in Bronze gegossene Statuette, "Die Lesende", übergeben.

    "Dunkelnacht" handelt vom Ende des Zweiten Weltkriegs

    Boies ausgezeichneter Roman "Dunkelnacht" handelt vom sinnlosen Tod von 16 Menschen im bayerischen Penzberg kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Boie greift die Frage nach der individuellen und kollektiven Schuld auf. 2020 war sie auf den Fall gestoßen und hatte vor Ort intensiv recherchiert.

    "Kirsten Boie flicht die historischen Fakten dieses Endphasenverbrechens minutiös in ihre Erzählung ein und fiktionalisiert die Ereignisse mithilfe von drei jugendlichen Figuren", heißt es in der Jurybegründung der Bischofskonferenz. Ohne zu moralisieren zeige Boie ethische Haltungen auf und ermögliche im Erzählen Widerstand und Selbstermächtigung - feinfühlig formuliert für eine Generation, die kaum mehr authentischen Zugang zu den Ereignissen bekomme, so die Bischöfe. "Gerade jetzt soll damit ein Text ausgezeichnet werden, in dem und durch den soziale Verantwortung und Nächstenliebe auf besondere Weise eingefordert werden", heißt es weiter.

    Adoption ihres ersten Sohnes bringt Boie zum Schreiben

    Soziale Verantwortung und Nächstenliebe sind Werte, die Boie in ihren weit über 100 Büchern immer wieder zum Ausdruck bringt - auch beeinflusst durch ihr eigenes Erleben. Zum Schreiben kam Boie durch das Jugendamt: Nachdem sie mit ihrem Mann 1983 einen Sohn adoptierte, durfte sie auf Geheiß der Behörde nicht mehr arbeiten. Also beschloss die Lehrerin, stattdessen zu schreiben.

    Ihre Erfahrungen flossen dann in ihren Debütroman mit ein: "Paule ist ein Glücksgriff" erzählt die Geschichte eines schwarzen Adoptivkindes und begeisterte 1985 Publikum und Kritiker. Der Roman schaffte es sogar auf die Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis. Wenig später gesellte sich bei Familie Boie zum Sohn eine Adoptivtochter. Und der Autorin gelangen weitere literarische Erfolge.

    Ihre Themen: Rassismus, Aids-Waisen, Flucht und Krieg

    So folgten über die Jahre Bücher wie "Der kleine Ritter Trenk", "Seeräubermoses", "Skogland", "Lena", "Sommerby" und vor allem die "Möwenweg"-Bände. Auch ernste Themen scheut die Autorin nicht. In "Schwarze Lügen" geht es um Rassismus, in "Bestimmt wird alles gut" um die Flucht einer syrischen Familie aus dem Bürgerkrieg, über Aids-Waisen handelt der Roman "Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen" und in "Ringel, Rangel, Rosen" und "Dunkelnacht" arbeitet Boie die NS-Zeit auf.

    "Alles, was es im Leben gibt, darf es auch in der Kinderliteratur geben", sagte Boie der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA). "Wenn Kinder irgendwann mit Krisen konfrontiert sind, dann halte ich es für sehr wichtig, dass es Texte gibt, die ihnen davon erzählen und ihnen helfen, sich damit auseinanderzusetzen."

    2021 wurde kein Kinder- und Jugendbuchpreis verliehen

    Im vergangenen Jahr sorgte die Entscheidung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz für großes Aufsehen und Kritik, dass 2021 "kein Preisbuch gekürt" werde. Die Jury wählte damals aus der Vorschlagsliste den Roman "Papierklavier" der Österreicherin Elisabeth Steinkellner aus und schlug dem Ständigen Rat vor, diesen auszuzeichnen. Doch der Rat lehnte ab.

    In dem fiktionalen Tagebuch einer 16-Jährigen geht es um Tod, Armut und Pubertät. Auch das Thema Transsexualität wird darin aufgegriffen. "Allerdings hat die Auffassung bei den Bischöfen überwogen, dass das Buch nicht hinreichend den Kriterien des Preises entspricht", begründete Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz damals die Ablehnung. Welche Kriterien das seien, sagte er aber nicht.

    In einem offenen Brief äußerten dann 222 Autoren und Schriftsteller ihr Unverständnis über diese Entscheidung - eine davon war Kirsten Boie. Im Gespräch mit dem BR kritisierte sie vor allem die Begründung der Deutschen Bischofskonferenz: "Die Begründung ist keine Begründung." Ob der Grund für die Ablehnung die Transgender-Figur oder die Patchwork-Familie gewesen war, blieb offen.

    Boie: "Bischöfe leben in einer Blase"

    Die Nicht-Verleihung des Preises zeige außerdem die zunehmende Entfremdung der Bischöfe von der Basis, meinte Kirsten Boie 2021: "Meine Vermutung ist, dass das Gesichtsfeld der Bischofskonferenz eingeschränkt ist: Was für die Jury im absoluten Normalbereich liegt, ist für die Bischöfe gar nicht mehr nachvollziehbar", sagte Boie damals gegenüber dem BR. "Die Bischöfe leben anscheinend in einer Blase. Ich hoffe, manche Bischöfe sind vielleicht Onkel oder Großonkel und kommen da ab und zu auch mal in Kontakt mit Jugendbüchern. Aber dem Großteil ist die Welt von Jugendlichen sehr fremd. Und man kann sehen, dass sich die offizielle Kirche damit von vielen Mitgliedern entfernt."

    Sie befürchtete damals, dass das Image des Preises deshalb Schaden nehmen könnte und der Preis entwertet werden würde, "weil nur noch ein schmales Spektrum als akzeptabel gilt, was der katholischen Kirche in die Lebenshaltung passt."

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