Mitwirkende zwischen Käfigen
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Jede Menge Kaninchen: "Walküre" in Berlin

    Kaninchen auf der Bühne: Staatsoper Berlin reagiert auf Protest

    Jede Menge "Labortiere" in kleinen Käfigen waren in Wagners "Rheingold" und in der "Walküre" zu sehen. Tierschützer zeigten sich empört. Jetzt will die Oper die Zahl der Tiere erheblich reduzieren - und auf Meerschweinchen ganz verzichten.

    Bei der Premiere wurden sie in einer Szene sogar liebevoll gestreichelt: Im neuen "Ring" an der Berliner Staatsoper Unter den Linden spielen echte Meerschweinchen und Kaninchen mit. Der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov (52) verlegte die Handlung von Richard Wagners monumentalem Vierteiler teilweise in ein "Institut für Aggressionsforschung". Im dortigen Keller werden in einer Reihe von Käfigen "Versuchstiere" gehalten - was Tierschützer alarmierte, auch wenn zu lesen war, die Kaninchen würden im "richtigen" Leben artgerecht und gemeinsam in einem Außengehege gehalten, wo sie "genug Platz, Futter und Heu" hätten.

    "Keine Tiere mehr zu Unterhaltungszwecken quälen"

    Die Staatsoper teilte mit, sie wolle in Folge-Aufführungen keine Meerschweinchen mehr einsetzen und statt dreißig nur noch zwanzig Kaninchen "besetzen". Eine Sprecherin sagte dem BR, der Meinungsaustausch mit den Tierschützern sei sehr "konstruktiv" gewesen und habe für die Zukunft "sensibilisiert". Intendant Matthias Schulz habe "proaktiv" das Gespräch mit den Kritikern gesucht, eine gemeinsame Presseerklärung sei erarbeitet worden.

    Zuschauer hätten sich zunächst gar nicht, dann nur in ganz wenigen Fällen mit Bedenken beim Besucherservice gemeldet. Allerdings gebe es in den sozialen Medien teils herbe Kommentare. "2022 wäre es mal an der Zeit, keine Tiere mehr zu Unterhaltungszwecken zu quälen", ist zum Beispiel auf dem Twitter-Kanal der Staatsoper von einem Kommentator zu lesen.

    "Wollte meinen Augen gar nicht trauen"

    Deutliche Worte fanden einige Kritiker. "Da sich die Tiere nach dem 'Rheingold' in der 'Walküre' kaum noch bewegten, sondern wie erschöpft flach am Boden lagen, dachte ich, es seien nun Attrappen. Aber es waren immer noch lebende Kaninchen! Das sollte im 2. und 3. Zyklus unbedingt verhindert werden", schrieb der bekannte Experte Klaus Billand. Auch andere Rezensenten hatten sich während der Premieren "schockiert" gezeigt, etwa die Journalistin Kirsten Liese: "Ich wollte zuerst meinen Augen gar nicht trauen, befanden sich in den Käfigen, die Dmitri Tcherniakov in seine Inszenierung an der Berliner Staatsoper einbezieht, allen Ernstes echte Kaninchen? Mich hat dieses beklemmende Szenarium schon im Rheingold so stark beunruhigt, dass ich mich auf die Musik kaum noch konzentrieren konnte."

    Auf diese Kritik hatte die Staatsoper entgegnet: "Es findet keine Tierquälerei statt. Im deutschen Recht wird Tierquälerei als Straftat eingestuft. Die Wahl dieses Ausdrucks ist falsch und suggeriert, dass wir uns außerhalb des rechtlichen Rahmens bewegen – was nicht der Fall ist."

    "Hohe Anspannung und Angststarre"

    Die Tierschutzorganisation PETA hatte in der genannten Pressemitteilung den Einsatz der Meerschweinchen und Kaninchen kritisiert: "Tiere sind nicht auf dieser Welt, um auf der Bühne einem beängstigenden und ungewohntem Szenario aus lauter Musik und hellem Licht ausgesetzt und als vermeintliche Zuschauerattraktion beliebig hin und her transportiert zu werden." Der zuständige Fachreferent Peter Höffken dankte der Staatsoper, das sie sich "offen" für Argumente gezeigt habe: "Wir hoffen, dass bei den Verantwortlichen auch längerfristig ein Umdenken stattfindet und künftig gar keine Tiere mehr bei den Aufführungen eingesetzt werden."

    Auf unbekannte Situationen, neue Umgebungen, ständigen Ortswechsel und Lautstärke reagierten Fluchttiere mit Weglaufen oder Rückzug in einen Bau oder an einen sicheren Rückzugsort, so die Verantwortlichen von PETA: "Teilweise lässt sich bei den Tieren in Situationen hoher Anspannung auch eine Angststarre feststellen: Die empfindlichen Vierbeiner frieren dann förmlich ein und können sich nicht mehr bewegen. Wird ihnen die Fluchtreaktion verwehrt, etwa weil sie in Käfigen auf einer Bühne ohne Rückzugsmöglichkeiten gehalten werden, entwickeln sie ein gefährlich hohes Stressniveau."

    "Kaninchen haben hohe Ansprüche"

    Oft brächen nach "belastenden Situationen" stressbedingte Erkrankungen wie Hautpilze oder Infektionen aus. Auch der Transport und die Wegnahme aus vertrauter Umgebung sowie die neue Zusammensetzung mit fremden Artgenossen seien für die Tiere "sehr belastend" und sollten möglichst vermieden werden: "Kaninchen und Meerschweinchen haben hohe Ansprüche an ihren Lebensraum. Um ihnen ein gesundes und langes Leben zu ermöglichen, sind Tierhalterinnen und Tierhalter angehalten, sich mit den richtigen Haltungskriterien vertraut machen."

    Im Übrigen kämpfe PETA gegen die "Diskriminierung" von bestimmten Tierarten: So würden Schweine, Rinder und Hühner "gequält und getötet", Hunde und Katzen dagegen "liebevoll umsorgt". Der Mensch werde hierbei "allen anderen Spezies gegenüber als überlegen angesehen".

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