Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny spricht in einer von der russischen Strafvollzugsbehörde bereitgestellten Videoübertragung, aus dem Gefängnis.
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Alexej Nawalny spricht in einer von der russischen Strafvollzugsbehörde bereitgestellten Videoübertragung, aus dem Gefängnis.

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"Kängurus verboten": Alexej Nawalny verspottet Lagerleitung

Hinter Gittern gebe es nicht viel Unterhaltung, schrieb Russlands bekanntester Oppositionspolitiker auf seinem Twitter-Kanal - außer der Korrespondenz mit der Direktion der Haftanstalt. Die habe was gegen Maikäfer, Beuteltiere und Megaphone.

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Humor ist wohl die einzige Waffe, die Alexej Nawalny noch bleibt: Im vergangenen Jahr verbrachte er fast 180 Tage in einer Strafzelle auf der Isolierstation. Immer wieder wird er unter fadenscheinigen Begründungen verschärften und erniedrigenden Haftbedingungen ausgesetzt, meist wegen angeblicher Verstöße gegen die Hausordnung und Disziplin. Mal soll Nawalny einen Knopf zu wenig geschlossen haben, mal soll er zur falschen Zeit aufgestanden, die Hände auf dem Rücken verschränkt, das Laub im Gefängnishof nicht aufgelesen, den Zaun nicht gereinigt haben.

Nawalny wurde wegen "Verstößen gegen Bewährungsauflagen" und "Verleumdung eines Veteranen" zu neun Jahren Gefängnis verurteilt und muss in einem neuen Verfahren wegen "Extremismus" sogar mit bis zu dreißig Jahren rechnen. Der bekannteste russische Dissident und Oppositionspolitiker sitzt im Straflager IK-6 in der Region Wladimir ein, etwa 200 Kilometer östlich von Moskau. Experten bezeichneten die Umstände seiner Haft als "institutionalisierte Folter", gibt es in der Strafzelle doch weder Tageslicht, noch frische Luft.

"Umso lauter plärren"

Jetzt machte sich Nawalny zu seinem bevorstehenden 47. Geburtstag am 4. Juni ein ganz besonderes "Geschenk": Er veröffentlichte den "Briefwechsel" mit der Leitung des Straflagers. Diese Korrespondenz sei die einzige Abwechslung, die ihm noch geblieben sei. In den Auskünften der Direktion ist zum Beispiel zu lesen, eine "Balalaika" sei leider in der Zelle ebenso unzulässig wie "zwei Päckchen Tabak und eine Flasche Wodka". Auch Folterinstrumente wie ein "Würgeholz" könnten ihm nicht ausgehändigt werden. Damit nicht genug: "In Beantwortung ihres Antrags, dem Psycho in der Zelle gegenüber ein Megaphon zu überreichen, damit er umso lauter plärren kann, teilen wir Ihnen mit, dass Megaphone den Insassen nicht überlassen werden."

Sehr akkurat heißt es in einem weiteren Schreiben: "Ihren Vorschlag beantwortend, Ihren Zellenkameraden, der mit bloßen Händen einen Menschen erwürgt hat, mit dem 10. Dan-Gürtel für Karate zu würdigen, teilen wir Ihnen mit, dass sich die Anstaltsleitung nicht mit Auszeichnungen in Kampfsportarten abgibt." Ein "Massagesessel" wurde mit der Begründung ausgeschlagen, so ein Möbelstück gebe es im Lager nicht. Die Namen der Diensthunde wollte die Direktion auf Anfrage ebenfalls nicht preisgeben. Mündlich, so Nawalny, sei ihm mitgeteilt worden, wenn er die Hunde einzeln ansprechen könne, sei es möglich, dass er mit ihnen "Freundschaft schließe" und das zur Flucht nutzen könne.

"Beuteltiere sind doppelt heikel"

Auf die Frage, ob für die Haltung eines Maikäfers eine Sondererlaubnis nötig sei, hieß es lapidar, Maikäfer seien Insekten und gehörten der "Tierwelt" an. Somit könnten sie dem Häftling nicht "überlassen" werden. Weil Lagerinsassen aber grundsätzlich beantragen können, ein Haustier zu halten, wandte sich der Putin-Kritiker mit dem Wunsch an die Leitung, doch bitte ein Känguru anschaffen zu dürfen: Aus der Chefetage kam die Antwort, Kängurus seien als "doppelt heikle" Beuteltiere verboten.

Twitter-Nutzer rieten Nawalny, es mit einem "Tasmanischen Teufel" zu versuchen, einem Raubbeutler. Auch ein Zwergkänguru sei womöglich "für den Anfang" ausreichend. Jemand postete das Video eines Känguru-Boxkampfs: "Ihre Tapferkeit ist unüberwindlich!" Es war auch zu lesen: "Sie werden den Tag verwünschen, an dem sie Sie eingesperrt haben."

Derweil sagte der russische Präsident bei einem Treffen mit seinem Sicherheitsrat, es gelte, verschärft gegen "Unruhestifter" vorzugehen, die Russlands innenpolitische Lage "aufheizen" wollten: "Sie und ich müssen alles tun, um ihnen das unter gar keinen Umständen zu erlauben." Immerhin gebe es 190 unterschiedliche Volksgruppen in Russland, daher seien diese Fragen "äußerst wichtig".

Für Aufsehen sorgten Gerichtsentscheidungen in Moskau, wonach 37 Mitarbeiter des dortigen U-Bahn-Betreibers, die sich im Mai 2021 solidarisch mit Alexej Nawalny gezeigt hatten und daraufhin entlassen worden waren, wieder eingestellt werden mussten. Den Betroffenen wurden sogar Entschädigungen zugesprochen. Je nach Dauer der erzwungenen Arbeitslosigkeit sollen sie zwischen 1.800 und 29.000 Euro erhalten.

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