Scherenschnitte sind ein bisschen aus der Mode gekommen. Doch man soll sie nicht geringschätzen, denn dahinter steckt oft eine hohe künstlerische Handfertigkeit und Qualität. In Neuburg an der Donau weiß man das. Denn hier lebte einst die Scherenschnittkünstlerin Josy Meidinger. Zeitzeugin Liselotte Pfaffenberger erinnert sich: "Die war sehr verhalten, sehr still und im Grunde unzugänglich. Das Volk hat die überhaupt nicht gekannt, vielleicht nur vom Einkaufen die Leute."
Geboren 1899 im Kloster Schäftlarn, kam Meidinger schon als Kind nach Neuburg an der Donau, weil ihr Vater dort Lehrer wurde. Zeit ihres Lebens war sie Künstlerin und jetzt, 51 Jahre nach ihrem Tod, erbt Neuburg ihren wertvollen Nachlass.
"Unglaubliche Akkuratheit" von Meidingers Scherenschnitten
Wir treffen Marieluise Kühnl vom Kulturamt und Monika Schierl vom Stadtarchiv inmitten von Umzugskisten und Bilderrahmen. Stadtarchivarin Schierl öffnet eine Mappe, darin in Seidenpapier gehüllt feinste Scherenschnitte. Romantisch die Motive von Josy Meidinger. Oft zeigen ihre filigranen Scherenschnitte Tiere und Menschen in der Natur. Auch das Schloss oder die Gassen von Neuburg – stets im klassischen Sinne schön – sind zu sehen. Volkskundlerin Monika Schierl ist begeistert: "Die Meidinger Scherenschnitte zeichnen sich zum einen durch eine unglaubliche Akkuratheit aus. Wenn man diese Scherenschnitte betrachtet, die sind so filigran geschnitten, dass man sich heute gar nicht vorstellen kann, dass es noch Menschen gibt, die so fein arbeiten können. Diese Sorgfalt. Was man bei ihr hat, dass ist diese gewaltlose Ehrfurcht vor der Natur, vor den Menschen. Es ist eine Liebe zu den Menschen, die sich durch diese Scherenschnitte ausdrückt.“
In Neuburg gibt es ein Denkmal für die Künstlerin und sie hat ein Ehrengrab auf dem Friedhof. Dass jetzt endlich auch ihr Nachlass in die Stadt kommt, Oberbürgermeister Bernhard Gmehling kann es kaum fassen: "Ist ein großes Geschenk, das wir jetzt bekommen haben kurz vor Weihnachten. Ist jetzt endgültig in Neuburg eingetroffen. Ich bin total begeistert, dass wir diese ganz bedeutende Josy-Meidinger-Sammlung jetzt hier in Neuburg haben, dass sie uns gehört, dass der Freistaat Bayern sie uns zugewandt hat mit der Auflage sie zu bewahren und sie der Öffentlichkeit zu präsentieren."
Nachlass des Neffen Meidingers
Eigentlich hätte Neuburg das Geld dafür gar nicht. Allerdings hat der Neffe von Josy Meidinger, der im letzten Jahr starb, die Sammlung inklusive seines Privatvermögens von einigen Millionen Euro vererbt, um die 2500 Scherenschnitte, Dokumente und auch Möbel zu erhalten. Josy Meidinger sammelte auch Scherenschnitte anderer Künstler. Die Stadt Neuburg hat bereits ein Gebäude in der Altstadt gekauft und wird dort jetzt nach und nach Teile der Sammlung präsentieren.
Josy Meidinger studierte einst an der Kunstgewerbeschule in München. Den größten Teil ihres Lebens verbrachte sie in Neuburg, lebte zeitweise im Schloss und später im Jagdschloss der Wittelsbacher, wo sie 1971 im Alten von 71 Jahren starb. Bekannt war sie für ihre Tierliebe, sie lebte mit ihren Pekinesen zusammen. Ehrenbürger Anton Sprenzel kannte Josy Meidinger noch persönlich: "Der damalige Pfarrer in Ried hat ihr ein paarmal die Kommunion verweigert, weil sie entgegen seines Verbotes den Hund in der Kirche mitgenommen hatte. Der Hund war zwar ruhig und brav, sie hat immer gesagt, das ist ein Geschöpf Gottes. Aus."
Jetzt bekommt Josy Meidinger ein Museum, das zwar nicht täglich geöffnet sein wird, aber ihren Nachlass angemessen präsentiert. Marieluise Kühnl, Leiterin des Kulturamtes: "Das muss natürlich alles erst mal gesichtet werden, viele Sachen müssen noch fachgerecht verpackt werden in säurefreies Papier, die Sachen sind ja oft auch sehr lichtempfindlich.“
Josy Meidinger hat auch Scherenschnitte von Märchen angefertigt. Tatsächlich ist es für Neuburg so etwas wie eine Märchengeschichte, die jetzt ein gutes Ende findet.
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