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Helmut Schleich schärft die Waffen

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"Jetzt fliegen wir den Jakobsweg": Helmut Schleich auf Tour

Sushi im Biergarten, drei Tage Urlaub in Rio und mit dem SUV zum Langusten kaufen in die Innenstadt: Kabarettist Helmut Schleich knöpft sich in seinem neuen Programm Münchens "vegane" Wohlstands-Schickeria vor. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Der Weißwein ist kalt gestellt, die Häppchen sind verzehrt, die sehr gediegene Kabarettgemeinde im Münchener Lustspielhaus wartet gespannt auf das neue Programm von Helmut Schleich - und der hat einen deutlichen Titel gewählt.

Das neue Programm heißt "Kauf, du Sau!" - Helmut Schleich

Doch ums Kaufen geht´s in den folgenden gut zwei Stunden nur am Rande. Gut, Helmut Schleich kritisiert Menschen, die sich Sushi in den Biergarten bestellen, dort Rhabarber-Schorle konsumieren und beim Trinkgeld auf zwanzig Cent achten. Vielleicht sind ja mittlerweile nicht nur der Konsum, sondern auch die Konsumenten irre geworden, da hilft dann vermutlich keine Satire mehr.

Es wird immer Leute geben, die sich zum Beispiel in München einbilden, dass Sie mit ihrem SUV zum Dallmayr fahren müssen, um sich dort kandierte Langusten-Hoden zu kaufen und sich dann beschweren, dass sie am Marienplatz nicht parken dürfen. - Helmut Schleich

Jammern mit Schwindelfreiheit

Nun ist München, bekanntlich eine der reichsten Städte Deutschlands, wahrlich ein dankbares Thema für Wohlstandskritik. Hier wird auf so hohem Niveau gejammert, dass dafür Schwindelfreiheit erforderlich ist - was Schleich gut beobachtet hat.

Dann immer dieses Gerede: "Ich stehe im Stau, ich habe zwei Stunden vom Flughafen gebraucht, die Leo ist komplett verstopft, ich steh im Stau!" Du stehst nicht im Stau, du dumme Nuss, du bist der Stau! - Helmut Schleich

Anfangs arbeitet sich Helmut Schleich etwas langatmig an der Autoindustrie ab, an Dieselskandal und Vorstandsgehältern, nicht mehr ganz aktuellen Themen, zu denen eigentlich auch längst alles gesagt ist, selbst von Kabarettisten. Wirklich ganz bei sich und unübertrefflich ist Schleich immer, wenn es um Bayern geht, seine Marotten, seinen Grant, seine Politiker.

Dorothee Bär - genau, diese Frau ist das beste Beispiel dafür, wohin Jugendwahn in der Politik führen kann. Diese These, wir müssen uns verjüngen, alles muss jünger werden. Da tauscht man manchmal Altersstarrsinn gegen Welpendummheit. - Helmut Schleich

Schleier statt Schönheitsoperation

Zu Wort kommt im neuen Programm neben Franz Josef Strauß auch Rudi, der ehemalige Fernfahrer, der irgendwann mit über drei Promille an der Autobahnauffahrt auffällig wurde und jetzt seine zahlreichen Geliebten vermisst, die er überall hatte. Die islamische Viel-Ehe jedenfalls ist für ihn nichts Neues.

Da muss man ehrlich sagen: Ab einem gewissen Alter hat der Schleier - wie soll ich sagen, ist der Schleier eine preiswerte Alternative zur Schönheitsoperation, muss man sagen. - Helmut Schleich

Helmut Schleich bietet weniger Konsumkritik als Lifestyle-Kritik. Im zweiten Teil, nach der Pause, auch mal bitterböse. Mit Vergnügen knöpft er sich englisch-schwadronierende Kellner vor und geißelt den Easyjetset.

Kurzurlaub! Hat früher kein Mensch gemacht. Heute machen alle Kurzurlaub. Früher ist man vielleicht ein Wochenende wohin gefahren. Aber heute machen alle Kurzurlaub. Du, wir waren drei Tage in Rio, Kurzurlaub, war herrlich! Ich habe mal einen halben Tag in der Toskana gelebt. Sich drei Minuten in die Sonne setzen, aufstehen und sagen, herrlich, Italien, aber ich muss wieder los, wir fliegen nämlich morgen den Jakobsweg! - Helmut Schleich

"Ich denke oft: Was soll ich denken?"

Ja, Markus Söder bekommt einiges ab, aber doch sehr Vorhersehbares. Der neue Kruzifix-Streit spielte gar keine Rolle: Gut so, denn Kabarettisten sollen ja nicht witzigere Nachrichtensprecher sein und dem Internet hinterherhecheln. Stattdessen ist Medien-Satire angesagt, etwa über die eitlen Leitartikel-Prediger unter den Journalisten.

Das tut so gut - wenn jemand schreibt, was man denken soll. Da müssen wir unseren Journalisten dankbar sein. Ich denke mir oft in der Früh, was soll ich heute denken, was leitet mich? Unsere Leitmedien! - Helmut Schleich

Hitler und sein Zucker

Helmut Schleich hat am Ende natürlich einmal mehr das Premieren-Publikum überzeugt, der Applaus ist sehr freundlich, die Stimmung bestens, denn Bayern lieben es nun mal, wenn sich alles um sie dreht, um ihre Klischees, ihre Mundart, ihre Feindbilder, ihre Helden, ihre Erinnerungen.

Wenn ich denke, was ich für Währungsreserve gehabt habe, heute noch: Ganze Kisten voller Liren, Peseten, Drachmen. Wenn die Grenzen wieder kommen - ich bin vorbereitet! - Helmut Schleich

Eine politisch korrekte Kindergeschichte wird übrigens auch vorgelesen. Da erzählt Mama von ihren Lebensmittelallergien und die Kinder fragen sich, ob die Ampel mit Ökostrom betrieben wird. Außerdem hat Helmut Schleich recherchiert, dass Adolf Hitler während seiner Festungshaft in Landsberg 45 Kilo Zucker bestellt hat - Deutschland hat also wirklich ein Problem mit Kohlehydraten!

Wieder am 3., 9., 10. und 11. Mai, sowie viele weitere Termine.