Prächtige Schlösser und Burgen, prunkvolle Klöster und Kirchen: In früheren Zeiten galt es, Macht auch immer durch Bauwerke zu demonstrieren. Das Internet, das digitale Netz dagegen könnte zu einer Demokratisierung führen, hofften viele. Denn heute kann sich jeder selbst ins Bild setzen. Aber hat das Netz die Mächtigen und ihre Deutungshoheit wirklich entmächtigt? Oder geht es heute um eine ganz andere Macht der Bilder und des schönen Scheins?
Demokratisierung der Mode durch das Internet war Wunschdenken
Bei der Fashion Week in Berlin ließ der Designer Marcel Ostertag im März seine Mode bewusst nicht nur von professionellen Models präsentieren. Das ist nicht ganz neu, zeigt aber eine Entwicklung in der Modebranche, mit der sich die Kulturwissenschaftlerin Diana Weis beschäftigt.
Soziale Netzwerke wie Instagram und Co. machen das möglich, was vorher Hoheitsgebiet von Laufstegdesignern war: Heute kann sich jeder inszenieren, in Szene setzen und seinen Stil, seine Bilder einem breiteren Publikum zugänglich machen, sagt Kulturwissenschaftlerin Diana Weis in einem Online-Vortrag des Verlags Klaus Wagenbach. "Diese Rede von der Demokratisierung der Mode, da war auch viel Wunschdenken dabei", sagt Diana Weis. Man habe sich erhofft, dass das Netz diesen Effekt hat. Denn es gab zum ersten Mal die Möglichkeit, für private Modeinszenierungen eine große Sichtbarkeit zu erreichen.
Keine Kontrolle über Bilder mehr möglich
Die Macht der Bilder läge heute nicht mehr eindeutig bei den Mächtigen, das stellt auch Daniel Hornuff fest. Der Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung an der Kunsthochschule Kassel beschäftigt sich immer wieder mit der Prägekraft von Bildern. "Ich kann keine hinlängliche Kontrolle über Bilder mehr erlangen, gerade wenn Bilder beginnen zu zirkulieren. Ich bin beispielsweise nicht davor gefeit, dass Bilder zu Memes umcodiert werden mit einem ironischen Kommentar", beschreibt Daniel Hornuff.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) war zu Beginn der Pandemie bei einem Fototermin im Zentrallager eines Lebensmitteldiscounters im Landkreis Erding und posierte dort vor Klopapier. "Die Versorgungslage ist gesichert", war eigentlich Söders Botschaft. Im Netz aber wurde das Bild schnell verrissen: "Grundgesetz, Artikel 1, die Würde des Menschen ist dreilagig", hieß es beispielsweise. Söder aber habe die Ironie des Netzes erkannt, und versuche sogar Meme-artig unterwegs zu sein, meint Kulturwissenschaftler Hornuff. Er versuche, leicht ironisierend in Bildern aufzutreten, um sich vielleicht auch Menschen anzunähern, die diesen spielerischen, leichten Umgang mit Bildern schätzen.
Markus Söder weiß, im Netz zählt Aufmerksamkeit
Der Landesvater beim Dackel-Streicheln, der Ministerpräsident mit Helm beim Fahrradfahren, Papa Markus am heimischen Grill und Naturschützer Söder beim Bäume-Umarmen und vor abgesägten Bäumen, die er als Rednerpult benutzt – im Netz bringt ihm das Reichweite bis hin zu Comedians wie Fabian Köster von der "heute-show". Das beschert dem Politiker, was im Netz zählt: Aufmerksamkeit.
Denn ein Bild alleine hat noch keine Macht, sagt der Kulturwissenschaftler Hornuff. Umso wichtiger sei daher die entsprechende Sensibilität bei der Bildauswahl. Großen Medienhäusern sei das bewusst: In Zeiten, in denen jeder Kriegsbilder in Echtzeit streamen kann, gehe es nicht nur um den Faktencheck. Es gehe auch um die Botschaft dahinter. Neu-rechte Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung hätten das erkannt und würden sich einer moderaten Bildsprache bedienen. "Diese neu-rechte Ästhetik ist gar nicht mehr als eine neu-rechte, rechte oder faschistoide Ästhetik zu identifizieren. Es findet eine ästhetische Normalisierung statt", erklärt Hornuff. "Man präsentiert sich und seine Kampagnen sehr demokratiefreundlich, gesellschaftsfreundlich, um eben gegen diese Gesellschaft wirksam agieren zu können."
Diskursverschiebung in eine demokratieunfreundliche Richtung
Ein AfD-Politiker postete ein Bild von einer Machete und einem Bierglas, suggeriert im Text, auf eine Veranstaltung der Antifa und des "Zentrums für politische Schönheit" zu warten und fragte dann, ob jemand wisse, wie er dieses Gerät "künstlerisch" gebrauchen könne. Von der Meinungsfreiheit sei so ein Post gedeckt, so der Kulturwissenschaftler. Trotzdem impliziere das Macheten-Bild Gewalt und verschiebe den Diskurs in eine demokratieunfreundlichere Richtung, meint Daniel Hornuff. Ist also das biblische Bilderverbot im Netz aktueller denn je? Auch sie könnten ja instrumentalisiert werden. "Bilder wirken meist unbewusst. Wir ordnen sie in eigene Vorurteile, sogar eigene Ressentiments ein und umso abwägender müssen solche Bilder deshalb eingesetzt werden, gerade wenn es um politisch brisante Themen geht", sagt Daniel Hornuff. Also sei Vorsicht geboten.
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