Im April 2022
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Patriarch Kyrill im Gespräch mit Putin

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"Hüten Sie sich vor ihm": War Patriarch Kyrill KGB-Agent?

Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche gehört zu Putins ideologischen Stützen und leidenschaftlichsten Kriegshetzern. Von 1971 bis 1974 soll er für den sowjetischen Geheimdienst den in der Schweiz ansässigen Weltkirchenrat ausspioniert haben.

Der ukrainische Geheimdienst bezeichnet das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. (76), schon länger als Ex-KGB-Agenten. Das sehen Schweizer Medien unter Berufung auf Informationen der Polizeibehörden inzwischen bestätigt: Demnach arbeitete der als Wladimir Gundjajew geborene Kirchenmann als junger Priester von 1971 bis 1974 in Genf als Abgesandter beim dortigen Weltkirchenrat. Der "Tages-Anzeiger" (Sonntagszeitung) berichtet von Unterlagen der Schweizerischen Bundespolizei, wonach Kyrill seinerzeit unter dem Decknamen "Michailow" für den KGB spionierte. Er soll demnach Kirchenleute bespitzelt haben und sollte im Weltkirchenrat Stimmung machen gegen die NATO.

"Er stellte viele Fragen"

"Uns wurde gesagt: Hüten Sie sich vor diesen Priestern, denn sie sind Agenten des KGB. Bei Gesprächen mit Kyrill hatte ich immer das Gefühl, dass er nach Informationen sucht. Er war sehr freundlich, aber er stellte viele Fragen über das Exil und den Klerus", wird ein Zeitzeuge zitiert. In den Polizeiakten soll von nicht näher bezeichneten "Maßnahmen" die Rede sein, die damals gegen Gundjajew eingeleitet wurden.

Auch nach seiner Rückkehr nach Moskau und seinem Aufstieg innerhalb der Hierarchie soll Kyrill regelmäßig die Schweiz besucht haben, insgesamt über vierzig Mal. Dabei ging er nicht nur zum Skifahren, sondern kümmerte sich angeblich auch um die Finanzen seiner Organisation. So betreibe die russisch-orthodoxe Kirche über eine Firma in Genf Öl- und Immobiliengeschäfte.

"Das war sein Traum"

Gerüchte, wonach Gundjajew schon im Alter von 18 Jahren zum KGB kam und seitdem stets als Agent tätig war, verbreiten ukrainische Medien seit Jahren. Der wichtigste Förderer des jetzigen Patriarchen habe ebenfalls für den sowjetischen Geheimdienst gearbeitet und dafür gesorgt, dass die Karriere von Gundjajew "rasant" verlaufen sei: So sei Kyrill schon mit 23 Diakon und mit 29 Jahren Bischof geworden, obwohl dafür eigentlich ein Mindestalter von 25 bzw. 35 Jahren gelte. Im Übrigen seien Auslandsreisen damals nur mit Hilfe und Unterstützung des KGB möglich gewesen: "Kyrill reiste endlos in die Länder des Nahen Ostens und Afrikas, nach Europa und in die USA, nach Bulgarien, Jugoslawien, Griechenland und Rumänien."

Als Kirchenfunktionär sei Gundjajew auch mit der Anwerbung neuer KGB-Mitarbeiter befasst gewesen: "Zu Sowjetzeiten konnte niemand ohne Zustimmung des KGB Bischof werden. Daher wäre es falsch zu sagen, er hatte keinerlei Verbindung zum KGB. Er war an ihn gebunden, wie alle anderen auch." Fachleute werden mit Aussagen zitiert, wonach Gundjajew sich darauf verstand, seine Position allzeit gewinnbringend zu "versilbern": "Das war sein Traum. Er hat alle als Werkzeug eingesetzt. Er hat alles sehr praktisch betrachtet. Tatsächlich wie Instrumente, die man benutzen und dann wegwerfen kann. Das galt sowohl für Menschen als auch für Strukturen."

Vermögen mit Tabak- und Alkoholhandel

Kirchenpolitisch allerdings habe Gundjajew auch "Durststrecken" hinter sich, heißt es im Dossier des ukrainischen Portals "Liga". Demnach sei er vor Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine in eine Depression verfallen, weil der Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche international rückläufig war und die Beziehung zum Kreml entsprechend belastet gewesen sei. Der Patriarch galt als ausgesprochen reisefreudig. So besuchte er sogar eine Kapelle in der Antarktis und besuchte 2016 mit rund 100 Begleitern Lateinamerika, was viele Millionen verschlungen haben soll.

Ukrainische Propagandisten schmähen Kyrill als "Tabak-Metropolit", weil er in den neunziger Jahren mit Zigaretten- und Alkoholhandel ein Vermögen angehäuft haben soll.

"Oft musste ich Anweisungen von oben folgen"

Kyrill meldet sich regelmäßig mit "patriotischen" Aufrufen zugunsten des Kreml zu Wort und verteidigt den Angriffskrieg auf die Ukraine. "Die Kirche tut heute, was noch vor zwanzig Jahren unvorstellbar war", sagte er jüngst bei einem Empfang in Moskau, wo er einmal mehr gegen die "Entchristlichung" wetterte.

Beim Gottesdienst zum 14. Jahrestag seines Aufstiegs zum Patriarchen am 1. Februar ließ Kyrill durchblicken, wie kompliziert sein Verhältnis zur Politik war und ist. Derzeit seien die Beziehungen zu Putin hervorragend: "Ganz offen gesagt ist dies das erste Mal in der gesamten langen Geschichte der russisch-orthodoxen Kirche so. Denn auch im orthodoxen Reich stand die Kirche nicht nur unter dem Einfluss des Staates, sondern musste sehr genau hinhören, was er sagte. Oft musste ich von meinen pastoralen Grundsätzen abweichen und den Anweisungen von oben folgen – vielleicht ereignete sich deshalb die große Tragödie der Kirchenverfolgung, nachdem sich das Staatssystem in Russland geändert hatte."

Kyrill lobte die angeblich jetzt bestehende "völlig Unabhängigkeit und Harmonie" zwischen Staat und Kirche und bewarb Putin abermals nach Kräften: "Möge der Segen Gottes auf dem Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin ruhen, der mutig die wahre Souveränität unseres Landes verteidigt, und auf allen, die heute einen unabhängigen, freien Kurs verteidigen, der von unseren wahren spirituellen, kulturellen und historischen Interessen diktiert wird."

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