Bildbeitrag
Bildbeitrag
> Kultur >

Heute entscheidet sich die Zukunft des Literaturnobelpreises

Heute entscheidet sich die Zukunft des Literaturnobelpreises

Erstmals seit 75 Jahren könnte der Literaturnobelpreis in diesem Jahr nicht verliehen werden. Grund dafür ist ein seit Monaten tobender Skandal um die Schwedische Akademie, die die hochdotierte Auszeichnung verleiht. Von Knut Cordsen

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Der Donnerstag ist in weniger turbulenten Zeiten als diesen jener Tag, an dem sich die Schwedische Akademie turnusgemäß im altehrwürdigen Restaurant „Den Gyldene Freden“ in Stockholms Altstadt trifft. „Der Goldene Frieden“, ein Edellokal aus dem Jahr 1722, befindet sich im Besitz der Schwedischen Akademie und dient deren Mitgliedern als Ort, an dem sie sich über Literaturnobelpreis-Kandidaten beraten. Der heutige Donnerstag dürfte ein denkwürdiger Tag schon deshalb werden, weil die Svenska Akademien diesmal nicht über auszeichnungswürdige Schriftsteller berät, sondern ihre eigene Zukunft verhandelt.

Zahlreiche Rücktritte

Ein seit Monaten tobender Skandal hat die Institution schwer ins Wanken geraten und etliche ihrer 18 Mitglieder zurücktreten lassen, zuletzt die schwedische Schriftstellerin Sara Stridsberg, mit ihren 44 Jahren das jüngste weibliche Mitglied in einem Gremium, das von Männern jenseits der 60 dominiert wird. Das älteste Mitglied ist der 93-jährige Göran Malmquist. Neben der 84-jährigen Kerstin Ekman, die schon seit 1989 ihr Stimmrecht ruhen lässt, haben sieben der achtzehn auf Lebenszeit gewählten Mitglieder der Akademie diese in den vergangenen Wochen verlassen, unter ihnen der ehemalige Ständige Sekretär Peter Englund und seine Nachfolgerin im Amt, Sara Danius, die zuletzt noch beim ebenfalls immer auf einen Donnerstag fallenden Verkündigungstag Kazuo Ishiguro und im Jahr zuvor Bob Dylan als Literaturnobelpreisträger bekannt gegeben hatte.

Schlüsselfigur Katarina Frostenson-Arnault

Ebenfalls nicht länger Mitglied der Akademie ist die Dichterin Katarina Frostenson, sie saß auf Stuhl 18, und mit ihrem Ehemann, dem Kulturmanager Jean-Claude Arnault geriet die gesamte Akademie in die Schlagzeilen. Arnault leitete bis Ende 2017 zusammen mit seiner Frau ein Kulturforum, das als „erweitertes Wohnzimmer“ der Schwedischen Akademie galt und von ihr finanziert wurde und gegen das nun wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung Anklage erhoben worden ist. Zudem wird gegen den 71-jährigen Arnault derzeit der Vorwurf von sexueller Belästigung in 18 Fällen erhoben. Außerdem soll er - auch diesen Vorwurf bestreitet Arnault wie alle übrigen - mehrmals die Namen der Nobelpreisträger durchgestochen haben. Dieses Fehlverhalten soll Zeitungsberichten zufolge jahrelang durch Mitglieder der Akademie gedeckt worden sein, zu denen auch der mit Arnault befreundete Horace Engdahl zählt, von 1999 bis 2009 Ständiger Sekretär der Akademie. Engdahl trifft sich heute mit dem verbliebenen Rest derer, die ihre Stühle noch nicht geräumt haben. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man beschließt, die Nobelpreisvergabe in diesem Jahr ausfallen zu lassen, um den Träger der Auszeichnung nicht zu beschädigen. Die Geschichte der Nobelpreisvergaben ist reich an Fehlentscheidungen und auch an Doppelvergaben. Sieben Mal ist die Vergabe seit 1901 ausgefallen, zuletzt vor 75 Jahren. Damals, 1943, war der Krieg der Grund. 2018 könnte die Schwedische Akademie selbst die Ursache dafür sein, dass kein Literaturnobelpreis verliehen wird. Der Interims-Sekretär der Akademie, Anders Olsson , sagte im Schwedischen Rundfunk, heute werde man sich beim wöchentlichen Treffen entscheiden, ob die Vergabe heuer verschoben oder komplett abgesagt wird.