Andy Butler
Bildrechte: Niki Moens

Neues Album von Hercules & Love Affair. Andy Buttler, das einzig ständige Mitglied der Band.

  • Artikel mit Audio-Inhalten

Hercules And Love Affair sagen dem Dancefloor ade

Es hat fünf Jahre gebraucht - und die Zusammenarbeit mit einer Freundin aus den Anfangstagen seines Dancefloor-Projekts: Nun ist DJ, Produzent und Musiker Andy Butler mit seinem neuen Album "In Amber" fertig. Das Warten hat sich gelohnt.

"Als Künstler, der seine persönliche Lebenserfahrung immer in seine Arbeit einfließen lässt, ganz zu schweigen von dem Chaos, das ich die letzten Jahre erlebt habe, konnte ich nicht guten Gewissens etwas Bequemes machen", sagt Andy Butler. "Ich musste mein Unbehagen ausdrücken." Und das tut er – abwechselnd mit der sich als Trans*Mensch begreifenden Anohni singt er von dysfunktionalen Familien, der Auseinandersetzung mit religiösen Dogmen, dem Hass in sozialen Medien, aber auch vom Kampf und von der Selbstermächtigung der queeren Community, der er sich zugehörig fühlt.

Abschied vom Dancefloor

Die Songs des Albums klingen über weite Strecken nicht mehr wie die Dancefloor-Hits früherer Alben, sondern eher wie Singer-Songwriter-Statements, die noch ab und zu das ferne Glitzern einer Disco-Kugel reflektieren. Das hymnische "One" knüpft noch am ehesten an die Dancefloor-Vergangenheit von Hercules And Love Affair an, wenn Sängerin Anohni zu zähen Rhythmen zunächst die Schmerzen einer Kindheit schildert, in der das gefühlte Geschlecht ständig unterdrückt werden muss, um dann den Triumph zu schildern, die eigene Persönlichkeit nach dem Coming-out endlich ausleben zu dürfen. Ähnliches gilt für das elegante "Grace" mit seinen Tribal Beats und seinem Wechsel zwischen nachdenklichen und vorwärtsdrängenden Passagen – es ist einer der Songs, bei denen Mastermind Andy Butler erstmals als Leadsänger zu hören ist: auch das eine Art Selbstermächtigung.

Anohni wieder mit im Boot

Die Stärke des Projekts Hercules And Love Affair lag schon immer darin, dass Andy Butler sich mit wechselnden, aber stets musikalisch sehr versierten Partnerinnen und Partnern umgeben hat. Diesmal sind das: der belgische Multiinstrumentalist Reinhard Vandergen, die isländische Sängerin Elin Eyþórsdóttir und natürlich Anohni, die vor 14 Jahren – damals noch unter ihrem Geburtsnamen Antony Hegarty – auf dem ersten Album von Hercules und Love Affair etliche Titel gesungen und mit "Blind" der Band zu ihrem bis heute größten Hit verholfen hat.

Auf "In Amber" ist sie als Sängerin, Texterin und teilweise sogar als Produzentin beteiligt. Sie war es, die Andy Butler motiviert hat, sein Album nach fünf Jahren endlich fertigzustellen und die ihm auch den Schlagzeuger Budgie empfohlen hat, Ex-Drummer von Bands wie The Slits, The Creation und Siouxsie And The Banshees, der für den düsteren Goth-Anstrich mancher Songs zuständig ist.

Große Ambition – großes Album

Streckenweise mag auf "In Amber" die Ambition größer sein als die musikalische Substanz, sprich: Bei einige Songs sind die Loops etwas länglich geraten, da könnte manches kürzer und straffer arrangiert sein - aber insgesamt ist dieses Album ein erstaunliches reifes Werk, dass die Krisen unserer Zeit und das Streben vieler Menschen nach ihrer eigenen Identität auf eine sehr originelle, poetische-musikalische Weise reflektiert. Dieses fünfte Album von Hercules And Love Affair ist auf jeden Fall ein potentieller Klassiker.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!