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"Heaven & Earth" - das neue Album von Kamasi Washington

"Heaven & Earth" - das neue Album von Kamasi Washington

Spätestens seit seiner Debüt-CD "The Epic" ist Kamasi Washington eine gefeierte Größe des New-Jazz. Nun hat der Saxophonist aus Los Angeles eine neue CD vorgelegt. Markus Mayer hat sie gehört:

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Es ist ein merkwürdiger Gegensatz zwischen der Abbildung auf dem Cover von „Heaven And Earth“, dem neuen Studio-Werk von Kamasi Washington und der Musik, die teilweise erklingt auf dem Doppelalbum. Der Umschlag zeigt den afrikanisch gekleideten Künstler mit seinem Saxophon. In sich ruhend und hellwach inmitten einer kühlen, gefrorenen Landschaft stehend - ein gottgleicher Herrscher zwischen blauem Himmel, blauen Bergen und einer bläulich spiegelnden Wasseroberfläche. Der erste Teil des Albums signalisiert etwas anderes: Er ist voller Aufruhr, ein permanent überbordender Stream Of Consciousness, ein hitziger Maelstrom - Gegenwart scheinbar ohne Spiritualität, (an-)getrieben von zwei Schlagzeugern und zwei Perkussionisten einer überbesetzten Bigband sowie einem 25-köpfigen Streicher-Ensemble. Hinzu kommt ein gemischter Chor mit 13 Sängerinnen und Sängern.


Hoffnungsträger des Jazz


Bekannt wurde Kamasi Washington, der Hoffnungsträger des Jazz, über andere Kanäle - als Side Man von HipHop-Heroe Kendrick Lamar und als Studiomusiker des phantastischen Elektronica-Bastlers Flying Lotus. Washingtons Debutalbum, das monumentale The Epic, drei CDs mit über 150 Minuten Spieldauer, wurde auf dem Label von Flying Lotus veröffentlicht, im Kontext der Pop-Avantgarde also. Tatsächlich war The Epic das erste Jazz-Album, das seit langer Zeit erstmals wieder von jungen Musikfans gekauft und mit großem Staunen gehört wurde. Der Musiker aus L.A. präsentiert zeitgenössischen Jazz mit lässiger Selbstverständlichkeit und angemessenem Selbstbewusstsein. Washingtons Musik wirkt nicht, wie die bei vielen anderen Jazz-Künstlern, akademisch-hüftsteif. Hier wird unter der Vorgabe auf keinen-Fall-langweilig-zu-sein musiziert.   


Musik von verstörender Pracht


„Heaven And Earth“ heißt dieses Doppelalbum, nicht etwa Heaven And Hell. Das Werk ist der Gospelmusik gewidmet - Kamasi Washington hat sie seit seiner Zeit als Teenager gespielt. So ziemlich alle afroamerikanischen Jazz-Künstler sind durch diese Schule der musikalischen Leidenschaften gegangen. Mit dem Heaven-Teil des Albums setzt ihr Washington ein elektroakustisches Denkmal. Als Motto des Doppelalbums dient eine Sentenz, die das Säkulare und Profane mit dem Innenleben verbindet. Die Welt, in der meine Seele lebt, heißt es auf dem Cover, lebt in meinem Geist. Ein Double Bind, ein komplexer Denkanstoß - festmachen lässt er sich an der Musik nur mit Mühe. Durch den gemischten Chor erinnert sie eher an den Sound-track von Startrek, an „Raumschiff Enterprise“, die Fernseh-Serie der 70-er Jahre, bei der die einzige Frau auf der Kommando-Brücke eine Afroamerikanerin war - Leutnant Uhura, aber genug des Afrofuturismus, der auch Kamasi Washington antreibt.        

Die Musik von Kamasi Washington entfaltet jedenfalls eine verstörende Pracht, manchmal ist sie geradezu übersät mit Tönen, manchmal schaukeln entspannte Grooves lässig vor sich hin. Die Lautsprecherboxen der Stereoanlage scheinen durch die schiere Wucht manchmal kurz vor‘m Bersten zu stehen, so vogelwild und voller Spielfreude wird hier improvisiert. Der zweite, der Heaven-Teil klingt versöhnlicher, entspannt und überschaubar, west-coast-mäßiger eben.


Die neue Lichtgestalt


Es ist Musik, die der große Lester Bowie, Trompeter des Art Ensemble Of Chicago, als Great Afroamerican Music beschrieben hätte, als Kunstform des schwarzen Amerika - Musik, in der sich eine multikulturelle Gesellschaft formuliert. Ähnliches haben vor Kamasi Washington auch schon BigBandleader wie Duke Ellington und Charles Mingus versucht, nicht die schlechtesten Reverenzen jedenfalls. 

Das Bild auf dem Cover zeigt, wenn man so will, einen göttlichen Menschen, oder anders ausgedrückt: eine menschliche Gottheit vor dem Beginn oder nach dem Ende des Musizierens, während der Kontaktaufnahme mit dem göttlichen Spirit jedenfalls. Heaven and Earth bestätigt Washingtons Ruf als Lichtgestalt des neuesten amerikanischen Jazz. Das ist allemal so aufregend und spannend wie der HipHop eines Kanye West oder etwa der R’n’B von, sagen wir, Solange, Beyonces Schwester. Jazz is back, Jazz ist zurück - eine verheißungsvolle Alternative zum Üblichen: Strahlend, schimmernd und schön - Kamasi Washington sei Dank.