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Szenenfoto Channel Zero: Candle Cove

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Grusel für alle: Crowd-Horror-Serie "Channel Zero: Candle Cove"

"Creepypasta", das sind Horrorgeschichten aus dem Internet, an denen die Crowd mitschreibt. "Candle Cove" nimmt eine 80er-Jahre Serie um ermordete Kinder und schreiende Puppen auf. Sehr gruselig, sehr vielversprechend. Von Christian Alt.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Erinnern Sie sich noch an die Kinderserie "Candle Cove"? Nein? Merkwürdig, dabei lief die doch in den 80ern überall. Vielleicht hilft ihnen die Zusammenfassung der Handlung auf die Sprünge: Janice, ein kleines Mädchen, freundet sich in der Serie mit ein paar Piraten an. Und dann schippert die Crew auf einem kleinen sprechenden Schiff über die sieben Weltmeere und erlebt jede Menge Abenteuer.

Alle schreiben mit

Immer noch nichts? Nicht schlimm. Auch Menschen im Internet erinnern sich nur noch daran, wie viel Angst sie als Kind vor der Serie hatten. Vor dem sprechenden Schiff, das Skin Taker hieß und jedem die Haut vom Leib ziehen wollte. Und vor dieser einen Folge, in der alle Puppen für zehn Minuten auf dem Boden rumzappen und schreien. Immer und immer wieder schreien. Bis alle Puppen tot sind.

Keine Angst, die mörderische Kinderserie ist natürlich nur erfunden. Eine moderne Gruselgeschichte aus dem Internet, sogenannte Creepypasta. Zum Teil hunderte Menschen schreiben an Creepypasta mit. Wie damals im Zeltlager, wird die Taschenlampe so lange herumgereicht, die Geschichte so lange weitergesponnen, bis sich jeder vor Angst in die Hose macht. Natürlich nur virtuell. Wichtig für richtig gute Creepypasta: Die Authentizität. Beziehungsweise der Anschein von Authentizität. Alles muss so echt wie möglich wirken.

80er-Jahre-Kinderserie, weitergesponnen

So wird die Geschichte von "Candle Cove" im Original nicht als Kurzgeschichte, sondern in einem Internetforum erzählt. Dutzende Nutzer posten da ihre Kindheitserinnerungen, ob diese Stimmen echt sind oder erfunden, das weiß nur Gott – oder Mark Zuckerberg. Es geht um die Gemeinschaft und nicht darum, Geld mit den eigenen Geschichten und Videos zu machen. Deshalb war die Skepsis in der Creepypasta-Community groß, dass die Geschichte um die gruselige Kinderserie zum Stoff einer Fernsehserie wird. Droht jetzt der Ausverkauf unserer Ideen?

Nein, denn "Channel Zero: Candle Cove" hat verstanden, was gute Creepypasta ausmacht: Originalität. Die Serie strickt um die relativ simple Geschichte des Originals einen neuen Rahmen. Mike Painter ist einer der erfolgreichsten Kinderpsychologen der USA, ein Job, den er ergriffen hat, weil er selbst ein Kindheitstrauma hat. Denn als Mike 12 Jahre alt ist, verschwinden mehrere Kinder in seinem Alter, darunter auch sein Zwillingsbruder Eddie. Nach einigen Tagen werden die Kinder tot im Wald gefunden. Der Mord wird nie aufgeklärt. Das will Mike jetzt ändern, er fährt zurück in seine Heimat, um ein Buch über die Morde zu schreiben. Plötzlich verschwinden schon wieder Kinder und Mike findet schnell einen Hauptverdächtigen: Die 80er-Jahre Kinderserie "Candle Cove".

Nostalgie ist verdammt gefährlich

Horrorfilm-Regisseur und Serienerfinder Nick Antosca springt wild in den Zeitebenen, verwirrt und konfrontiert uns mit unserer eigenen Kindheit. Das Original ist nur noch der Rahmen, in dem Antosca sich mit großer Sicherheit bewegt, um uns eine Botschaft immer und immer wieder einzuhämmern: Nostalgie ist verdammt gefährlich. Antosca sagt: Die 80er waren genauso gut oder schlecht wie die Gegenwart – auf der Suche nach der eigenen Jugend kann man verloren gehen.

Und auch stilistisch geht die Serie ihre eigenen Wege. Während die Konkurrenz mit Hau-drauf-Horror schockt, geht es Channel Zero: "Candle Cove" ruhiger an. Antosca nimmt sich Zeit, erzählt in Horrormaßstäben schon fast elegisch. Statt Schockhorror und Kettensägenmördern gibt es hier Dinnerpartys. Ergebnis ist eine verdammt gruselige Serie, die weiß, wann ihre Geschichte zu Ende erzählt ist. Von "Candle Cove" gibt es nur sechs Folgen, die zweite Staffel beschäftigt sich dann mit einer anderen Creepypasta. Wenn die auch so gut ist wie die erste, dann können ruhig noch viel mehr Gruselgeschichten aus dem Netz verfilmt werden.