Porträt des Schauspielers auf der Berlinale
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Peter Simonischek

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"Großer Freund der Wahrheit": Peter Simonischek gestorben

Er war einer der bekanntesten österreichischen Film- und Theaterschauspieler, beeindruckte im Salzburger "Jedermann" und in der vielfach ausgezeichneten Tragikomödie "Toni Erdmann". Jetzt ist der langjährige Burg-Schauspieler mit 76 Jahren gestorben.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Zwei Gerüche hätten seine Kindheit geprägt, schrieb Peter Simonischek in seiner Autobiografie "Ich stehe zur Verfügung", die 2006 erschien: Weihrauch und Kuhstall. "Avantgarde gab es in der Provinz nicht, jedenfalls nicht in Graz, wo ich aufwuchs", so der Schauspieler in einem Gespräch mit der Fachzeitschrift "Theater heute". Dort nannte er "zwei Erweckungserlebnisse", die ihn am Beginn seiner Karriere für die Schauspielerei begeistert hätten: Die Arbeiten des berühmten Regisseurs Peter Stein, der an der Berliner "Schaubühne" neue Wege ging, und ein Konzert der "Rolling Stones" im schweizerischen Bern: "In gewisser Weise kam ich wirklich aus dem Hinterland der Intellektualität. Mein Vater war Dentist auf dem Land. Politisches Bewusstsein wurde nicht unterrichtet. Unser Geschichtsunterricht war mit dem Ersten Weltkrieg zu Ende", erinnerte sich Simonischek.

"Allein nicht am glücklichsten"

Der 1946 geborene Schauspieler wuchs im steiermärkischen Markt Hartmannsdorf auf und ging in einem Internat zur Schule, wo er bereits häufiger auf der Bühne stand: "Man könnte sagen, ich bin von einem Kloster ins nächste Kloster, vom Internat in die Schaubühne." Da der Vater darauf beharrte, dass er Medizin studierte, konnte er zunächst den Weg zum Theater nicht weiterverfolgen. Er versuchte es als "Kompromiss" halbherzig mit einem Architekturstudium und begann parallel dazu eine Ausbildung als Zahntechniker. Heimlich soll er sich schließlich in Graz an der Schauspielschule angemeldet haben: "Manche Schauspieler sind Terrier. Ich bin nicht am glücklichsten, wenn ich allein auf der Bühne stehe, auch wenn ich es inzwischen mitunter genieße. Als ich jung war, hab ich es als Hypothek empfunden."

Erste Engagements führten Simonischek nach St. Gallen, Bern und Düsseldorf. Zwanzig Jahre, von 1979 bis 1999, war er an der Berliner Schaubühne zu sehen, wo neben Peter Stein und Luc Bondy auch Andrea Breth für ihn wichtige Regisseure wurden: "Das sogenannte Selbstbestimmungstheater war ein kultureller Luxus." Mit Breths Arbeitsstil, den Simonischek als "permanenten Ausnahmezustand" wahrnahm, hatte er allerdings "große Schwierigkeiten".

Seit 1999 arbeitete Simonischek am Burgtheater in Wien, am liebsten gemeinsam mit den "Anarchisten" im Ensemble, also Kolleginnen und Kollegen, die etwas unvorhersehbar agierten. Die österreichischen Medien betonten, dass kein anderer Schauspieler häufiger die Titelrolle im Salzburger "Jedermann" verkörpert habe als Simonischek: Zwischen 2002 und 2009 stand er 108 Mal als reicher Mann, der vom Tod geholt wird, auf der Freilichtbühne vor dem Dom. Peter Stein übrigens war nicht angetan von der Idee, seinen Star zum "Jedermann" zu machen: Für diese Rolle sei der Geschmack der "Taxifahrer" entscheidend.

Der Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, sagte in seinem Nachruf auf Simonischek: "Mit seiner einzigartigen Bühnenpräsenz füllte er die beeindruckenden Dimensionen des Domplatzes mit Leichtigkeit, mit jeder Zelle seines Körpers war er der Jedermann. Peter Simonischek war mit einer Überfülle an Qualität gesegnet, er war das, was man im besten Sinne des Wortes einen Publikumsliebling nennt – und das vollkommen zu Recht."

"Nicht so viel Großes"

Mit seiner Hauptrolle im Film "Toni Erdmann", einer Tragikomödie über den skurrilen Musiklehrer Winfried Conradi und dessen viel beschäftigte Tochter, die als Unternehmensberaterin arbeitet, gelang Simonischek 2016 ein ganz großer Kino-Erfolg, der sogar für einen Auslands-Oscar nominiert war. Er empfand die Arbeit mit Regisseurin Maren Ade als beglückend und sprach von "Augenhöhe". Nach dem künstlerischen Triumph hätten ihn viele Besetzungschefs angerufen, so der Schauspieler, und sich beim Blick auf seine bisherigen Kino-Auftritte darüber gewundert, dass es bei ihm "keine klare Linie" gegeben habe: "Nicht so viel Großes. Aber vor allem: Nach einem großen Film kam völlig überraschend was Kleines. Mehr war nicht drin - von der Theaterdisposition her."

Immerhin, sogar Hollywood meldete sich 2021: Simonischek wurde für den dritten Teil der "Phantastischen Tierwesen" in einer Nebenrolle besetzt, einem 200-Millionen-Dollar-Projekt mit "Riesendimensionen", das ihn schwer beeindruckte. Er spielte dort "einen Typ wie Franz Kafka", nämlich einen verschrobenen Gefängniswärter: "Das tollste Hotel, in dem ich je war, und ich war schon in vielen. Liegt in Studio-Nähe auf einem riesigen englischen Landsitz, mitten auf einem Golfplatz, und rundum findet man Zedern und Pinien, doppelt so hoch wie das Haus."

"Zuschauer ein Angebot machen"

Allüren lehnte Simonischek stets ab: "Eine Interpretation dem Publikum aufs Auge zu drücken, das gefällt mir überhaupt nicht. Ich halte sehr viel davon, dem Zuschauer ein Angebot zu machen. Und das so verführerisch und unterhaltsam zu machen, dass er gerne dabei ist. Und trotzdem auswählen kann, was zu ihm spricht." Er sei ein "großer Freund der Wahrheit", beteuerte Simonischek: "Wenn ich Spaß an der Lüge hätte, wäre ich Politiker geworden."

Im Fernsehen war Simonischek in einigen Filmen zur Zeitgeschichte zu sehen, etwa als Sohn eines NS-Kriegsverbrechers in "Der Dolmetscher" (2018), als rassistischer "Völkerkundler" in "Der vermessene Mensch" und in der Heimat-Saga "Hierankl" (2003). Der Schauspieler gewann zwei Grimme-Preise, den Europäischen und den Deutschen Filmpreis.

Im Alter von 76 Jahren ist Peter Simonischek im Kreise seiner Familie in der Nacht zum 30. Mai gestorben, wie das Burgtheater bestätigte.

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