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Georg Büchners "Woyzeck" am Mainfrankentheater Würzburg

Georg Büchners "Woyzeck" am Mainfrankentheater Würzburg

Büchners "Woyzeck" ist nicht der bürgerliche Held einer Tragödie, sondern ein Antiheld - er ist arm, ihn plagen Existenzängste und er muss seine Freundin Marie über die Runden bringen. Inszeniert hat das Martin Kindervater. Von Benedikt Mahler

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinab sieht in die Seele. Georg Büchners Woyzeck - ein Mensch in unwürdiger Abhängigkeit zu besonders fragwürdigen Autoritäten und Geldgebern. Regisseur Martin Kindervater inszeniert das soziale Drama als eine Milieustudie in der Manier des absurden Theaters. Der Bühnenraum wirkt wie eine eigenwillige Anleihe von Becketts „Warten auf Godot“. Eine graue Einöde, im Boden ein schwarzes Loch, darüber ein fünfästiges Gespinst, das aussieht, wie ein Baum, dessen Krone Kopf steht. Woyzecks Wahnsinn webt sich darum herum – und zwar vom ersten Moment an. Es ist der Wahnsinn eines Getriebenen, zwischen Natur und Zivilisation oszillierend – ein Wahnsinn, der sein Opfer fordert. Hannes Berg spielt diesen Unterwürfigen in trauriger und gedrungener Gestalt. Berg verleiht dem Woyzeck Kraft seiner Körperlichkeit einen berührenden Glanz. Das fahle Gesicht, der große Adamsapfel, die doch feine Miene mit diesen klaren, blauen Augen. Die Haare stehen ihm meist wie Federn zu Kopf.

Ein Stück im Nirgendwo

"Woyzeck" in Würzburg spielt im Nirgendwo und „Nirgendwann“ – und doch bemüht sich Regisseur Kindervater um einen Gegenwartsbezug, wenngleich recht unentschlossen. Die namenlosen Autoritäten - Doktor, Hauptmann, Tambourmajor – tragen Business-Look und tanzen auch mal zu monotonen Diskobeats. Das wirkt absonderlich, gerade im Kontrast zum Chorgesang zu dem sie sich formieren: Das deutsche Volkslied, der Jäger aus Kurpfalz, hatte ursprünglich eine derbe und sexuelle Bedeutung, die in modernen Liederbüchern meist nicht abgedruckt wird. Da gibt es das Symbol des Kuckucks, das auf das Zeugen unehelicher Kinder verweist. Es passt zum Woyzeck, der nicht nur selbst Vater eines unehelichen Kindes ist, sondern zugleich verzweifelt am Spiel der Geschlechter, bei dem er seine Freundin Marie an den aufgeplusterten Tambourmajor verliert.

Woyzeck - ein Getriebener

Woyzeck ist ein Getriebener, ein Gejagter vielleicht, wobei Regisseur Martin Kindervater verhehlt, wer hier der Jäger ist. Vielleicht Woyzecks innerer Dämon, der irgendwann die Überhand gewinnt und ihm den Mord befehligt? Oder doch die Gesellschaft, in der sich jeder monologisch um sich selbst zu drehen scheint? Mit diesen Fragen wird der Zuschauer an diesem Abend in Würzburg recht allein gelassen.