Wow, soviel lässt sich immerhin dann doch sagen: Da ist allerhand an Bühnenzauber unterwegs. Regisseur Frank Behnke hat in seiner Neuinszenierung von „Wie es euch gefällt“ am Staatstheater Nürnberg mächtig viel an virulenter Überwältigungstechnik eingesetzt. Etwa beim Kampf zwischen dem milden, ehrenwerten Orlando und dem brutal-blöden Ringer des Herzogs. Dieser Kampf nämlich findet meterhoch oben über dem Bühnenboden in den Lüften statt.
Monstrum von Ringer
Beide hängen schaukelnd in Seilen, dass einem schon als Zuschauer schwindelig werden könnte bei so viel Akrobatik. Das ist durchaus toll, nur weiß man nicht ganz genau, weshalb eigentlich der körperlich deutlich schwächere, eher intellektuelle, weltfremde Orlando dem im Kampf erprobten Monstrum von Ringer, glatzköpfig, bunt tätowiert und grenzdebil, hier gespielt von Nicola Lembach, so leicht bezwingen kann. Weil sie eine Frau ist, etwa? Unklar.
Umweht von Trockeneisnebel
Auch für den Wald von Ardennen, in dem sich die vom Machthaber, dem neuen Herzog Verbannten einfinden, hat sich der Bühnenbildner Peter Scior einiges einfallen lassen. Die Bühne ist hier mehr Installation als Bühne, ein Kunstwerk, wie von Objektkünstler Olaf Metzel geschaffen, nur irgendwie harmloser, hübscher. Dieser Wald von Ardenne kommt aus der Tiefe des Bühnenbodens, schwer umweht von Trockeneisnebel, empor gefahren. Hoch türmen sich gewaltige Gitterstapel auf, und der silbrige Tower bietet beeindruckende Klettermöglichkeiten für die Schauspieler. Naja. Die ganze Welt ist nun mal Bühne.
"Make Love Great Again"
Leider aber bilden diese Rollen-Spieler und ins Exil Verbannten hier nur so etwas wie eine launige, harmlose, bunt kostümierte Flower-Power-Community, die das gewaltige Turmgebilde auf der Drehbühne kräftig zirkulieren und mit einer fetten Banderole schmücken. Darauf steht in Großbuchstaben „MAKE LOVE GREAT AGAIN“. Irgendwie soll der nicht eben originelle Lebensentwurf also antipodisch stehen zu wuchtigen US-amerikanischen Politsprüchen. Genaueres erfährt man aber nicht.
Tolle Übersetzung
Der Abend wäre auf verlorenem Posten, wäre da nicht, absolut herausragend, die junge charismatische Schauspielerin Josephine Köhler als Rosalinde beziehungsweise Ganymed. Köhler, vor allem in der männlichen Rolle als Ganymed ausdrucksstark, artikuliert Shakespeares Text in der tollen Übersetzung von Jürgen Gosch und Angela Schanelec brillant präzise. Hier entsteht endlich so etwas wie Poesie. Ihre Schuld ist es nicht, dass die Regie sie als Rosalinde in einem, wenn auch schickem Sechziger Jahre-Kleid, noch kichernd pubertär und hysterisch deutet. Erst als Ganymed, als Mann, findet sie zu ihrer Souveränität und Intellektualität. Ließe sich das im Zweifel gar als frauenfeindlich deuten?
Transgender, Bisexuelle, Schwule
Das Theater hatte im Vorfeld durchblicken lassen, mit Shakespeares Klassiker eine frische zeitgenössische Version über Rollenspiele anzubieten, über die Austauschbarkeit von Geschlechterrollen, Liebesbeziehungen und Weltanschauungen. Aber zur Gender-Debatte, Themen wie Transgender, Bisexualität und Schwulsein trägt der Abend in Wahrheit nur Braves bei. Auch die Motive Exil und alternative Lebensentwürfe im 21. Jahrhundert bleiben unterbelichtet. Dabei steckt "Wie es euch gefällt" voller Aspekte, die sich mit brüllender Phantasie mühelos in die Gegenwart übersetzen ließen. Dass man das hier versäumt und stattdessen auf Technik und alberne Gags, zuweilen Meilen unter der Gürtellinie, setzt, ist, ehrlich gesagt, für ein Theater, das Wert darauf legt, Staatstheater zu sein, ganz schön dünn.
Wieder am 17., 23. und 24. April, weitere Termine.