Das Ensemble sitzt auf Stühlen in Flugzeug-Anordnung
Bildrechte: Sebastian Back/Komödie im Bayerischen Hof

Senioren unterwegs im Flugzeug

    Fast 600 Jahre auf der Bühne: "Bis zum Horizont, dann links!"

    "Für ein jüngeres Publikum zu gemächlich", hieß es 2012 über die gleichnamige Filmkomödie von Bernd Böhlich. Das gilt auch für die Theaterfassung an der Komödie im Bayerischen Hof München. Die Senioren-Allstars geben ihr Bestes - mit Textschwächen.

    "In meinem Alter ist alles vorübergehend", grantelt Altenheiminsasse Josef Tiedgen (Horst Janson), als ihm die Pflegerin einen Mitbewohner ins Zimmer setzt - "vorübergehend", wegen Renovierungsarbeiten. Die Story ist aus dem Film von 2012 bekannt: Mehrere Senioren langweilen sich buchstäblich "zu Tode", fühlen sich wie "Häschen in der Grube" und nutzen die Gelegenheit, als sie einen Rundflug über der Stadt spendiert bekommen. Die Maschine wird entführt, mit einem alten Revolver "von der Ostfront", und der Flug führt tatsächlich bis an die Adria - ans Meer! Dort allerdings geht der Sprit aus.

    Dialoge knarzen gemütlich vor sich hin

    In der Theaterfassung von Rolf Heiermann, die jetzt an der Komödie im Bayerischen Hof in München zu sehen ist, stehen tatsächlich fast 600 gelebte Jahre auf der Bühne - 573, um genau zu sein: Astrid Polak (86), Gabi Gasser (78), Marianne Rogée (86), Horst Janson (86), Hans Stadlbauer (76), Dirk Bender (78) und als Pflegerin Esther Kuhn (42) und ihr schmucker Pilot Philip Leenders (41). Ja, hier muss keiner "auf alt" machen, die Senioren sind es, unübersehbar und auch unüberhörbar. Die Auf- und Abgänge erfolgen in Zeitlupe, auf das niemand unfreiwillig stolpert. Einige Texthänger gibt es auch, die Dialoge knarzen gemütlich vor sich hin, zu gemütlich, um die Aufmerksamkeit über längere Zeit zu fesseln. Und die Witze sind altersmäßig auch schon alle in Rente.

    Mit etwas Ironie ließe sich behaupten: Authentisch ist dieses Ensemble von der ersten bis zur letzten Minute, so glaubwürdig ist die Atmosphäre einer "Senioren-Residenz" von jüngeren Kollegen kaum herzustellen, aber es handelt sich ja nicht um Doku-Theater, wie es heute schwer in Mode ist, sondern um eine Boulevardkomödie, und dafür schleppt sich die Handlung leider viel zu behäbig über die knapp zwei Stunden.

    Erzwungene Infantilisierung der Alten

    Noch am anrührendsten ist Marianne Rogée als melancholischer Heim-Neuling Annegret Simon, und Gabi Gasser spielt die ehemalige Schauspiel-Diva Fanny de Artong ebenfalls mit erfrischendem Elan, großen Gesten und einigen überzeugenden Gags, aber das reicht nicht, um den Abend insgesamt in Schwung zu bringen. Was fehlt sind Lust an Anarchie, Überdrehtheit, morbider Humor. Wenn eine Handlung so absurd und irreal ist, dann muss sie mit mehr satirischem Biss inszeniert sein. Dass an den Türen zu den Zimmern mal ein Igel, mal ein Vergissmeinnicht oder ein Hase prangt, reicht da nicht als böse Anspielung auf die erzwungene Infantilisierung der Alten.

    Pflegerin Amelie (Esther Kuhn) ist weder diabolisch, noch übereifrig, sondern eher desinteressiert. Selbst ihr Techtelmechtel mit dem Piloten (Philip Leenders) wirkt so fade, als ob den beiden schon vor Jahren das Kerosin ausgegangen ist. Insofern ist der Abend nur als Wiedersehensfeier mit sehr bekannten Senioren-Allstars empfehlenswert. Da können dann die Gedanken spazieren gehen zu den einstigen TV-Serien-Hits wie "Lindenstraße" oder "Der Bastian". Ja, alles lange her, weit hinter dem Horizont verschwunden. Wo es von da aus hingeht, weiß niemand so genau. Vermutlich weder nach links, noch rechts.

    Bis 28. August in der Komödie im Bayerischen Hof in München.

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