Helau, Alaaf und Täterä: Bis Dienstag sind auch in Bayern wieder die Narren unterwegs. Es ist Fasching – und Krieg in der Ukraine. Denjenigen, die von hier aus auf ihr Heimatland an der Grenze zu Russland blicken, ist da kaum zum Feiern zumute: "In der Ukraine haben wir sehr viel Leid, sehr viel Trauer und da können wir nicht ausgelassen feiern", sagt Wolodymyr Viitovitch, Pfarrer in der ukrainisch-katholischen Gemeinde in München.
Gleichzeitig versteht er aber, wenn sich Faschings-Narren heuer die Laune nicht nehmen lassen wollen – nicht schon wieder. "Vielleicht ist es besonders wichtig nach den Pandemie-Jahren, dass sich die Menschen treffen und nochmal ausgelassen feiern", so der Pfarrer – nochmal vor der Fastenzeit. Die gebe es auch unter den mehrheitlich orthodoxen Christen in der Ukraine, statt Fasching kennen Ukrainer aber eine "Zeit des Loslassens", ehe sie sich bis Ostern in Verzicht üben.
Theologe: "Die Welt ist kein Paradies"
Fasching und Verzicht, Frohsein und sich dann wieder die Ernsthaftigkeit des Lebens vor Augen führen – in dieser Spannung steht der Karneval schon immer. "Der ursprüngliche Ort der Faschingsfeier ist der Vorabend der Fastenzeit", erinnert der katholische Theologe Winfried Haunerland. "Es ist die Fastnacht, die Nacht vor dem Fasten, wo Abschied von den guten Speisen genommen wird."
Und so erinnert auch das Wort "Karneval" an die lateinischen Wörter "caro" für Fleisch und "valedicere", "sich verabschieden". "Wer im Blick auf die kommende Bußzeit Fasching feiert, weiß, dass die Welt kein Paradies ist, in dem alle genug zu essen haben und himmlischer Friede herrscht", so der Theologe. "Im fröhlichen Feiern kommt insofern auch die Sehnsucht nach einer besseren Welt zum Ausdruck."
Fasching: Fest der "Fülle des Lebens"
Ähnlich sieht das auch Gisela Bornowski, Regionalbischöfin im evangelischen Kirchenkreis Ansbach-Würzburg – also in der bayerischen Faschingshochburg um Veitshöchheim, wo die Narren unlängst wieder die "Fastnacht in Franken" feierten.
"Ich kann gut verstehen, dass Menschen, die das ganze Jahr über nur von Krisen hören und von Leid und Not in der Welt, Fasching feiern und einfach dann auch über sich und die Welt auch lachen können", so die Theologin. Weil man sich nicht nur mit Leid und Not in der Welt auseinandersetzen könne und müsse, sondern eben auch das Schöne des Leben genießen dürfe, "die Fülle des Lebens", so Bornowski.
Fasching-Feiern in Kriegs-Zeiten "nicht unethisch, wenn..."
Kabarettist Oliver Tissot, der heuer wieder bei der "Fastnacht in Franken" in Veitshöchheim mit von der Partie war, sieht im Faschings-Ulk gar ein "Überdrucksventil", um mit dem Kummer in Krisenzeiten umzugehen: "Humor sorgt dafür, dass wir mit diesem Wahnsinnsleben irgendwie zurande kommen."
Und zu diesem "Wahnsinnsleben" gehört der Krieg in der Ukraine eben seit fast einem Jahr dazu. Fasching-Feiern in Kriegszeiten, also? Regionalbischöfin Gisela Bornowski meint: "Ich finde es nicht unethisch, wenn man eben das Leid und die Not nicht ausblendet." Und Menschen, die Fasching feiern, könnten sich am nächsten Tag wieder für Geflüchtete einsetzen oder Spenden sammeln und mitfühlend sein.
Der nächste Anlass, sich mit den Kriegsopfern solidarisch zu zeigen, sei ja schließlich auch nicht weit: in einer Woche nämlich, wenn sich der Ausbruch des Krieges in der Ukraine zum ersten Mal jährt.
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