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Farbe als Illusion: Bilder von Carlos Cruz-Diez in Ingolstadt

Farbe als Illusion: Bilder von Carlos Cruz-Diez in Ingolstadt

Was sind Farben? Folgt man dem venzolanischen Künstler Carlos Cruz-Diez werden sie erst durch Bewegung, Licht und optische Wahrnehmungs-Phänomene zum Leben erweckt. Zu erleben jetzt in der Schau "Color In Motion" im MKK Ingolstadt. Von Julie Metzdorf

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Die Farbe in der Kunst war etwas, das man mit einem Pinsel auf Leinwand aufgetragen hat. Aber Farbe ist etwas anders! Farbe lebt, überschreitet ihre eigenen Grenzen und erschafft einen Moment." Carlos Cruz-Diez

Carlos Cruz-Diez sieht sich weniger als Künstler, denn als Forscher. In den 50er Jahren kam der heute 94-Jährige nach Paris. In Venezuela hatte er noch figurativ gemalt, doch was er am meisten am Malen mochte, waren die Farben selbst. Also begann er, die Materie zu erkunden, die Funktionsweise des menschlichen Auges, er studierte Farbtheorien und befasste sich mit Malern, die besonders für Farben bekannt waren. Schnell merkte er, dass Farben bis dato immer nur als Mittel zum Zweck verwendet worden waren, sogar bei den Impressionisten, erklärt seine Tochter Adriana Cruz-Diez.

"Die Impressionisten wollten zeigen, dass sich das Licht ändert, dass Farbe in der Luft ist, aber sie machten das mit einem eingefrorenen Moment von einem sich verändernden Moment. Sie zeigten zum Beispiel eine Kathedrale in drei verschiedenen Momenten des Tages, mal pink, mal mehr gelb, je nachdem, wie sich das Tageslicht veränderte. Aber obwohl es ein neue Art zu malen war, erzählten sie immer noch eine Geschichte davon, was sie gesehen hatten." Adriana Cruz-Diez

Der Zuschauer ist Teil des Werks

Cruz-Diez befreite die Farbe von Motiven und Erzählungen. In Ingolstadt etwa ist ein Werk zu sehen mit dünnen Streifen aus zwei verschiedenen Farben. Vielleicht einen Zentimeter vor die Leinwand ist eine dünne Metallstange montiert. Mit ein bisschen Abstand betrachtet, erscheint die Stange bunt: Die Farbe strahlt von der Leinwand ab und legt sich auf dem Metallstab nieder. Eine andere Arbeit zeigt schwarze und dunkelblaue Streifen auf weißem Grund. Hinzu kommt ein flirrendes Gelb. Es ist nicht auf der Leinwand zu finden, es entsteht einzig im Auge und huscht wie ein Geist über die Leinwand hinweg. Doch man muss den Arbeiten direkt gegenüberstehen. Die Kunst von Cruz-Diez funktioniert nur durch Partizipation.

"Er wollte schon sehr früh, dass die Leute Teil des Werkes sind, dass sie die Sachen anfassen oder bewegen können. Er malte Zebrastreifen auf die Straße oder bemalte den Boden großer Plätze, er machte auch große Architektursachen, für Flughäfen zum Beispiel. Er wollte die Leute damit ein bisschen aufrütteln und überraschen in ihrem Alltag, in dem sie immer das Gleiche tun." Adriana Cruz-Diez

Auch vor dem Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt prangt nun ein farbenprächtiger Zebrastreifen auf der Straße – eine Zebrastreifen, der verkehrsrechtlich gesehen allerdings keiner ist. Weshalb auf Schildern vor ihm gewarnt werden muss: „Achtung Kunst – Fußgänger haben KEINEN Vorrang.“

"Carlos Cruz-Diez. Color in Motion." Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt. Zu sehen bis 16. September 2018.