Man sieht Helge Schneider im rosa Torerokostüm und mit einer Trompete in der Hand.
Bildrechte: Helge Scheider

Helge Schneider im Torerokostüm

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Fäkal-Humor und Dixieland-Jazz: Helge Schneiders neues Album

Passt gar nicht zusammen: Spanische Stierkämpfer und Helge Schneider, der musikalische Erfinder von "Katzenklo", die singende Herrentorte, kurz: die alberne Lockerheit in Person. Er sieht sich als den letzten Torero - so heißt auch sein neues Album.

Helge Schneider ist inzwischen 67 Jahre alt, aber immer noch in aller Munde. Erst kürzlich, bei Maischberger, hat er wieder polarisiert, als er den Diskurs von der "kulturellen Aneignung" in die Tonne getreten hat, unter dem Motto "interessiert mich einen Scheißdreck". Aber die Zeit der großen Gassenhauer (Katzenklo, Telefonmann, Wurstfachverkäuferin) ist lange her. Trotzdem füllt er aus dem Stand zwei Mal die Münchner Isarphilharmonie. Und so nebenbei bringt er am Freitag auch noch ein neues Album heraus: "Torero" heißt es.

Eine aussterbende Art

Der 2017 verstorbene Kulturkritiker Joachim Kaiser hat sich mal als "der letzte Mohikaner" bezeichnet und meinte damit, er sei der letzte einer aussterbenden Art. Helge Schneider stößt im Titelstück seines neuen Albums in ein ähnliches Horn ... als letzter Torero. Um was genau es sich bei dieser aussterbenden Art handelt, verrät Helge nicht, aber er meint wohl damit die durch Jazz- und Rockmusik gleichermaßen inspirierten Musiker, die noch in dunklen Live-Kellern das Spielen erlernten, statt zuhause mit dem Laptop auf der Bettkante zu sitzen.

Wie immer in den vergangenen Jahren ist auch bei diesem Album von Helge Schneider das Jazz-informierte Piano das dominante Instrument. Wie immer improvisiert er über vertraut wirkende Bossa-Nova- und Easy-Listening-Melodien, aber neuerdings kokettiert er auch mit seinem Alter mit einen Songtitel wie "American Bypass".

Minimalismus à la Schneider: Nur acht Songs

In seinen kommerziell besten Tagen verkaufte er der großen Plattenfirma Elektrola Doppel-CDs mit drei verschiedenen Versionen eines Songs, mit schiefgegangenen Anfängen und endlosen, repetitiven Mantras. Auf "Torero" fasst er sich eher kurz: Nur acht Songs enthält das Album, und nur ein einziger ausufernder, achtminütiger Song ist drauf: LOTC. Das steht für Lying on the Couch. Darin geht es in erster Linie um Erdnussflips. Da ist sie dann wieder, die anarchische Quasi-Unhörbarkeit, die Zumutung, die sich eben nur Helge Schneider leisten kann, wenn er mit seiner Band, die ihn auch auf Tour begleitet, die gute Laune zu Tode reitet.

Es geht dann tatsächlich auch noch auf zwei Songs um so etwas wie Fäkal-Humor, etwa wenn’s im Hörspiel-artigen "The Wizard" um eine besetzte Toilette, vor der ein Zauberer steht, und in "The Guilty Doctor" um Verdauungsprobleme geht. Aber musikalisch ist er da immerhin sehr nah beim Dixieland-Jazz eines Louis Armstrong.

Radikal bei sich selbst

Schuld hat immer der Arzt, singt Helge Schneider und hält damit seinen hypochondrischen Altersgenossen den Spiegel vor. Ja, es geht schon noch etwas beim letzten Torero des Nonsense-Old-Time-Jazz. Denn noch immer weigert sich Helge Schneider, in irgendeiner Richtung Zugeständnisse zu machen. Er weiß, dass kaum noch jemand Platten kauft, und neue Songs in erster Linie dazu da sind, die nächste Tournee zu bewerben. Helge Schneider macht sich inzwischen vor allem über sich selbst lustig, zeigt sich als nostalgisches Muttersöhnchen und veröffentlicht ansonsten einfach weiter … ganz bestimmt, bis irgendwann der Arzt kommt.

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