Vater Tyrone, ein notorischer Geizhals, hat vor allem an der Familie gespart, um sich seine Angeber-Villa leisten zu können. Einst ein gefeierter Charakterdarsteller, hat er sein Talent an ein Rührstück verschleudert, mit dem er durch die Lande tingelt.
Porträt der eigenen Familie
O’Neill lässt das Stück, dieses unverhohlene Porträt seiner eigenen Familie, 1912 spielen. Im selben Jahr sank die Titanic. Der riesige Bug eines Ozeanriesen ist auch ein Element in Aleksander Denics großartiger Bühne. Untergeher sind auch die Tyrones, wobei Vater James und seinem älteren Sohn Jamie nicht das Wasser, sondern der Whiskey bis zum Hals steht. Jamies jüngerer Bruder Edmund hat die Schwindsucht. Mutter Mary ist morphiumsüchtig.
Edgar Selge als tragikomische Figur
Vor allem aber sind die Tyrones eine Schauspielerfamilie. In Armin Petras‘ Inszenierung wirken sie wie ein Ensemble, das dazu verdammt ist, die eigene Tragödie jeden Tag - vom Morgen bis tief in die Nacht - immer aufs Neue aufzuführen. Edgar Selge als knauseriger Tyrone im fuchsbraunen Dreiteiler ist eine fast vertrottelte Witzfigur und gewinnt erst spät, dann aber umso eindrucksvoller an tragikomischer Kontur. Nur Mutter Mary Tyrone scheint die Verstrickung der Familie in der Endlosschleife des Lamentos erkannt zu haben. Ihre Morphiumsucht ist hier nicht Teil des Problems, sondern Ausweg.
Regie bleibt Analyse schuldig
Wie Mary Tyrone sich selbst rettet, so rettet ihr - männlicher - Darsteller, Kurth, den Abend. Seine sensationelle Leistung versöhnt damit, dass die Inszenierung einiges schuldig bleibt: die Gesellschaftsanalyse der westlichen Welt vor allem, von der im Programmheft die Rede ist. Auch dafür steht die Titanic: für eine Gesellschaft aus Reichen auf dem Oberdeck und denen, die tief unten im dunklen Bauch des Schiffes reisen müssen. Das aber geht leider unter in der Inszenierung von Armin Petras.