Zweimal Letzter, einmal Vorletzter - das ist die magere deutsche Bilanz beim Eurovision Song Contest in den vergangenen Jahren. Ein schweres Erbe für Michael Schulte, der Deutschland in diesem Jahr beim Contest vertritt.
"Ach, den Druck verspüre ich gar nicht so doll. Es kann ja auch nicht so viel schlechter werden - es kann also eigentlich nur besser werden als in den letzten drei Jahren, deswegen - besser als wenn es dreimal der erste Platz gewesen wäre in den letzten drei Jahren und man da dementsprechend großen Erfolgsdruck hätte, die Erfolgsreihe weiterzuführen." Michael Schulte
Stimmungsvolle Ballade mit Herz
Bei Schultes Auftritt in der Lissabonner Altice Arena bleibt die Kamera ganz bei ihm, wenn er seinen Song "You Let Me Walk Alone" singt. Auf der Projektionsfläche hinter ihm wird der Text seines Songs bebildert, in dem es um seinen viel zu früh verstorbenen Vater geht. Im zweiten Semifinale durfte Schulte seinen Auftritt erstmals präsentieren. Der deutsche TV-Kommentator Peter Urban ist immer noch begeistert.
"Ich habe vom deutschen Beitrag noch nie einen besseren Auftritt gesehen, eine bessere Inszenierung. Es ist wirklich so auf diesen Song, auf den Inhalt des Songs zugeschnitten. Es geht wirklich ans Herz, wenn man das sieht. Da steht ein Junge, dem man glauben kann, der trauert um seinen Vater, und das ist einfach eine Aussage, die man sonst beim ESC eigentlich nicht immer verspürt. So viel ehrliches Gefühl." Peter Urban, Moderator
Die Favoriten
Die Buchmacher sehen Schulte auf Platz sechs. Platz eins in den Trends hat sich die Sängerin für Zypern, Eleni Foureira, mit einem furiosen Auftritt im ersten Semifinale am Dienstag erkämpft. Foureira hat in Griechenland Superstar-Status, tritt aber für Zypern an. Die Griechin tanzt, posiert, wirbelt ihre Mähne von der einen Seite zur anderen und behält dabei den zugegebenermaßen recht simplen Song stimmlich im Griff.
Bis sie die Spitze eroberte, sahen die Buchmacher die israelische Sängerin Netta vor. In Ihrem Song "Toy" geht es um die Metoo-Debatte, in der die israelische Sängerin eine wirklich glaubwürdige Akteurin ist: Sie ist witzig, sie ist bunt, sie ist frech.
Die bekannteste Geige der ESC-Geschichte gehört Alexander Rybak. 2009 gewann er mit seinem Song "Fairy Tale" - jetzt will er den Triumph wiederholen. 26 Songs gehen am Samstagabend an den Start. In der Altice Arena werden knapp 15.000 Menschen zuschauen, weltweit etwa 200 Millionen. Der Eurovision Song Contest wird auch in den USA und China übertragen. Insgesamt sind vor allem tanzbare Popnummern favorisiert. Michael Schulte fällt dabei eher die Rolle des Geheimfavoriten zu.
"Die Rolle nehme ich natürlich gerne an. Ich bin gern lieber der Jäger als der Gejagte. Und ich glaube, es ist alles möglich, vom letzten Platz theoretisch bis hin zu Top 10 - das wäre ein wahnsinnig tolles Ergebnis, worüber ich wahnsinnig glücklich wäre." Michael Schulte
(Autor: Thomas Mohr)